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Von HIV bis Alzheimer: 
Bluttest-Entwicklung ist sein Lebenswerk

Ob für eine Routineuntersuchung oder eine kritische Diagnose: Es kann sehr gut sein, dass Sie bereits einen Bluttest gemacht haben, den Jim Freeman oder sein Team entwickelt haben. Er ist der Innovator hinter In-Vitro-Diagnostiktests, die weltweit die Diagnosen für unzählige Patient*innen verbessern.
10min
Carolin Gietl
Veröffentlicht am 21. November 2025
Gäbe es einen Oscar für das Lebenswerk in der Assay-Entwicklung, wäre der Head of Core Lab Solutions R&D bei Siemens Healthineers ein Top-Anwärter. Von Assays für Drogen, HIV, Krebsmarker, Vitamin D und COVID-19 bis hin zu Alzheimer-Tests – Freeman hat während seiner 40-jährigen Karriere bei Siemens Healthineers und seinen Vorgängerunternehmen das globale Gesundheitswesen maßgeblich mitgeprägt.

Wir besuchten Freeman in Tarrytown im U.S.-Bundesstaat New York, wo er als Teamleiter für über 60 aktive Assay-Projekte verantwortlich ist. Dazu gehören Optimierungen bestehender Tests, Projekte zur Anpassung an neue regulatorische Vorgaben sowie neue, innovative Produkte: „Wir arbeiten an Assays für Schilddrüsenerkrankungen, therapeutische Medikamente, Infektionskrankheiten, Blutarmut, Onkologie, Frauengesundheit und Neurologie – die Bandbreite ist enorm”, erzählt Freeman. Ein Bereich, auf den sich das Team aktuell besonders konzentriert, ist die Alzheimer-Diagnostik – aus gutem Grund.

Mit dem weltweiten Anstieg der Lebenserwartung wächst auch der Bedarf an präziser Alzheimer-Diagnostik. Mehr als 57 Millionen Menschen leben weltweit mit Alzheimer oder anderen Formen der Demenz [1]. Hoffnungsträger für Patient*innen sind seit 2023 zwei neue Medikamente, die gezielt Beta-Amyloid-Plaques im Gehirn bekämpfen. Darüber hinaus werden neue Behandlungen zu Veränderungen des Tau-Proteins entwickelt – ein weiterer Indikator der Krankheit.

„Jetzt, wo solche Therapien verfügbar werden, ist ein zuverlässiger Test zur Früherkennung von Alzheimer entscheidend“, erklärt Freeman. „Dann kann man frühzeitig mit Medikamenten eingreifen, um das Fortschreiten schweren kognitiven Verfalls aufzuhalten oder zumindest deutlich zu verlangsamen.“

sind Ansammlungen von Proteinfragmenten, die sich zwischen Nervenzellen im Gehirn bilden. Sie können die Zellkommunikation stören und Entzündungen auslösen, was zu Gedächtnisverlust und kognitivem Verfall beiträgt.

Porträt von Jim Freeman lächelnd.

Bestehende diagnostische Tests für Alzheimer basieren überwiegend auf Zerebrospinalflüssigkeit, was eine Lumbalpunktion erfordert – ein invasives und technisch anspruchsvolles Verfahren. Im Gegensatz dazu setzen die Tests von Freemans Team auf Blutproben. „Diese Tests könnten künftig neben dem Standard-Blutbild ein fester Bestandteil Ihrer jährlichen Routineuntersuchung werden”, sagt Freeman. „Es ist ein großer Fortschritt. Zum einen profitieren Kliniken und medizinisches Personal von einem schnelleren und einfacheren Verfahren, das weniger Fachwissen erfordert. Zum anderen bleibt den Patient*innen die Unannehmlichkeit einer komplexen Lumbalpunktion erspart.“

ist ein Verfahren, bei dem eine Nadel in den unteren Rücken eingeführt wird, um eine Probe der Zerebrospinalflüssigkeit – die das Gehirn und das Rückenmark umgibt – für Labortests zu entnehmen.

In Zusammenarbeit mit Laboren erprobt Freemans Team ihren Assay an Alzheimer- und kognitiv beeinträchtigten Nicht-Alzheimer-Kohorten daraufhin, wie er am besten in den diagnostischen Ablauf passt. Während die PET-Bildgebung nach wie vor eine wichtige Methode zur Visualisierung von Beta-Amyloid-Plaques im Gehirn ist, könnte ein einfacher Bluttest kostengünstig und unkompliziert erste Hinweise auf ein erhöhtes Alzheimer-Risiko einer Person geben.

Bei der PET-Bildgebung (Positronen-Emissions-Tomographie) werden injizierte radioaktive Marker verwendet, um die Stoffwechselaktivität im Körper sichtbar zu machen. Der Scanner erkennt Gammastrahlen aus Positronenemissionen und hilft so, Funktionsstörungen oder Krankheiten zu identifizieren.
Mehr über Molekulare Bildgebung

Freeman ist nicht nur für die Entwicklung von Assays verantwortlich, sondern auch für die Bereiche Technologie, Informatik, Automatisierung und Softwareentwicklung für verschiedene Labortestplattformen. „In meinem Job geht es viel um Strategie und darum, uns auf die Zukunft vorzubereiten“, erklärt er. „Welche Assays wollen wir künftig auf den Markt bringen und wie wird die nächste Generation von Plattformen aussehen? Wir müssen klare Prioritäten setzen, um die größtmögliche Wirkung zu erzielen.“

An seinem Arbeitsalltag mit täglich bis zu zehn Meetings zu unterschiedlichsten Themen begeistert ihn besonders die Vielfalt der Herausforderungen. Um aktuelle Probleme zu lösen, greift er auf seine jahrzehntelange Erfahrung zurück – betont jedoch, dass echte Innovation nie im Alleingang entsteht.


Porträt von Jim Freeman lächelnd.

Außerhalb der Arbeit ist Freeman ein Familienmensch und leidenschaftlicher Handwerker. Seine Freizeit verbringt er am liebsten mit seinen beiden Enkelkindern. „Sie wohnen nur fünf Minuten entfernt, also sehe ich sie oft. Das ist fantastisch und macht unglaublich viel Spaß“, erzählt Freeman. Wenn er nicht bei seiner Familie ist, findet man ihn in seiner Hobbyschreinerei, wo er Schränke und Möbel baut: „In den letzten Jahren habe ich beruflich wenig mit meinen Händen gearbeitet“, sagt er. „Zu Beginn meiner Karriere war ich ständig im Labor – ich habe Reagenzien formuliert und Studien durchgeführt. Deshalb ist es heute besonders erfüllend, in meine Werkstatt zu gehen, mit den Händen zu arbeiten und vom hektischen Alltag einen Schritt zurückzutreten.“

Freemans Begeisterung für Wissenschaft und Biologie zeigte sich bereits in der High School und bewegte ihn dazu, Biochemie zu studieren. Heute gibt er sein Wissen gerne weiter und unterstützt junge Talente beim Berufseinstieg im Bereich Diagnostik. Rückblickend auf seine 40-jährige Karriere teilt Freeman seinen Leitsatz: „Man muss seiner Leidenschaft folgen, die eigene Begabung erkennen und einen Ort finden, wo man sich entfalten kann. Ich liebe meine Arbeit, und genau das motiviert mich, die bestmöglichen Assays zu entwickeln.“

Jim Freeman und drei Kollegen und Kolleginnen sitzen in einem Besprechungsraum.

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Labortestergebnisse sind ein Datenpunkt von vielen, die in medizinische Entscheidungen einfließen – doch ihr Wert für das Fachpersonal ist Freeman bewusst: „Was wir tun, ist von zentraler Bedeutung für die Diagnose und Überwachung von Krankheiten – und genau das macht meine Arbeit so erfüllend.“ In den USA geben 98 Prozent der Ärzt*innen an, aufgrund von Labortestergebnissen eine Diagnose oder einen Behandlungsplan angepasst zu haben [2]. Siemens Healthineers liefert weltweit jährlich über 16 Milliarden In-Vitro-Tests an Labore.

Mit dem Wachstum der Weltbevölkerung steigt auch die Zahl der Patient*innen und der Bedarf an Tests. Gleichzeitig kämpfen viele Labore mit akutem Personalmangel und es wird für sie immer schwieriger, die steigende Nachfrage zu befriedigen. Laborfachkräfte berichten, dass ihnen deshalb Fehler unterlaufen: 14 Prozent geben an, wegen Überlastung oder Burnout bereits einen schwerwiegenden Fehler gemacht zu haben [3].

Freeman und sein Team sind immer auf der Suche nach Möglichkeiten, die Arbeitsabläufe in klinischen Labors zu verbessern. „Einige Aufgaben, wie das Nachfüllen von Proben und Reagenzien, erfordern noch manuelle Eingriffe“, erklärt Freeman. „Stellen Sie sich vor, das Analysegerät erkennt selbstständig, wenn ein Reagenz zur Neige geht, und signalisiert einem Roboter, eine neue Packung aus dem Kühlraum zu holen und in das Gerät zu laden.“ Mehr über unsere klinischen Assistenzroboter erfahren Sie in dieser vorherigen Futureshaper-Folge.

Freemans Karriere ist ein eindrucksvolles Beispiel für lebenslanges Lernen und Weiterentwicklung innerhalb eines Unternehmens. Er hat seine gesamte Laufbahn der Forschung und Entwicklung von Assays gewidmet: „Ich kann mit Recht sagen, dass ich alle Jobs in der Assay-Entwicklung durchlaufen habe – ich war Ferienpraktikant, externer Mitarbeiter und Laborwissenschaftler und habe mich in der Assay-Entwicklung hochgearbeitet“, erzählt er.

In den letzten vier Jahrzehnten hat Freeman einen bemerkenswerten Wandel in der Diagnostikbranche miterlebt – von manuellen Verfahren bis hin zur vollen Automatisierung. Anfangs mussten Laborfachkräfte Reagenzien und Proben manuell hinzufügen und dann die Reaktivitäten mit einem Spektralphotometer messen. „Heute haben wir vollautomatische Labore, in denen nur die Fachkraft bei der Blutentnahme mit dem Blutröhrchen in Berührung kommt“, erklärt Freeman.

Freeman weiß nur zu gut, wie wichtig es ist, präzise und zuverlässige Tests zu entwickeln. Vor etwa fünf Jahren wurden bei ihm nach einer Routineuntersuchung bei einem CT-Scan Knoten an der Schilddrüse entdeckt. Nach einer unklaren Biopsie entfernten die Ärzt*innen die rechte Schilddrüsenhälfte. Während des gesamten Prozesses wurden seine TSH- und free T4-Werte überwacht – mit Bluttests, die Freeman selbst mitentwickelt hatte und die auf einer von seinem Team entwickelten Plattform durchgeführt wurden.

„Für viele von uns in der Assay-Entwicklung kann das zu einer sehr persönlichen Erfahrung werden“, sagt er. „Ich weiß, dass diese Tests bei meinen Freunden, meiner Familie, bei mir selbst und Millionen von Menschen weltweit zum Einsatz kommen. Der Qualitätsanspruch, mit dem wir unsere Reagenzien entwickeln, liegt mir sehr am Herzen. Es ist unglaublich erfüllend, in meiner Laufbahn zu so vielen Tests beigetragen zu haben, die das Gesundheitswesen geprägt haben – in der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft.“


Von Carolin Gietl
Carolin Gietl ist Redakteurin bei Siemens Healthineers. Am liebsten kreiert sie Geschichten über unsere Innovationen und Karrieremöglichkeiten.