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Mit Algorithmen gegen Krebs

Adam Strzelecki und Team haben eine Bildgebungslösung entwickelt, die die Planung und Anpassung der Strahlentherapie direkt am Behandlungstisch ermöglicht. „Man kann nur das besser behandeln, was man besser sehen kann“, sagt er. Indem sie Bilder für die Präzisionstherapie verbessern, helfen sie, das Leben von Patient*innen zu retten.
9min
Carolin Gietl
Veröffentlicht am December 13, 2024
In Baden, Schweiz, werden im „iLab“ Schlüsseltechnologien für die Bildgebung in der Radioonkologie entwickelt. Adam Strzelecki arbeitet seit 2016 als Forscher für den Geschäftsbereich Varian. Heute nimmt er uns mit hinter die Kulissen und zeigt uns, wie sie die Krebsbehandlung innovativ gestalten.

Als wir das iLab betreten, ist seine Leidenschaft spürbar. „Ich arbeite hier mit so vielen ehrgeizigen Menschen aus verschiedenen Ländern zusammen. Die Schweiz ist ein spannender und inspirierender Ort zum Leben und Arbeiten“, erzählt Strzelecki. Er kommt ursprünglich aus Polen und hat mehrere Jahre in Frankreich gearbeitet, bevor er in die Schweiz zog. Wie er hier gelandet ist? „Ich habe mich schon immer für Computergrafik interessiert und auch für die Technologie rund um Bildverarbeitung und Bildgenerierung.“ Nachdem er sich mit 3D-Rendering für Spiele und Satellitenbilder beschäftigt hatte, lernte Strzelecki durch ein Projekt während seiner Doktorarbeit den Bereich der medizinischen Bildgebung kennen. „Ich entdeckte, dass es hier eine Menge Potenzial gibt und wollte das weiter erforschen, also kam ich hierher“, sagt er.


Als Strzelecki bei Varian anfing, standen er und sein Team vor einem Problem, das bei der konventionellen Strahlentherapie häufig auftritt: „Man möchte die maximale Strahlendosis an den Tumor abgeben, um die Krebszellen zu zerstören, aber gleichzeitig nicht riskieren, gesundes Gewebe zu beschädigen“, sagt er. Für die Planung des Strahls braucht es Bilder des Tumors. Tumore können schnell wachsen oder sich verändern, daher ist es wichtig, dass die Behandlung beginnt, bevor zu viel Zeit nach der ersten Bildaufnahme vergeht.

Zwei klinische Bilder, das linke zeigt einen Scan aus einer Simulation mit CT, auf dem Sie einen Tumor sehen können. Das Bild rechts zeigt einen Scan mit HyperSight CBCT (TrueBeam), bei dem der Tumor deutlich gewachsen ist.

„Wenn das Bild am Tag der Behandlung nicht mehr aktuell ist, trifft man sein Ziel nicht präzise“, erklärt Strzelecki. „Man beseitigt vielleicht den Tumor, aber schadet dem Patienten, weil man gleichzeitig ein lebenswichtiges Organ zerstört hat.“ Strzelecki und sein Team wollten die Präzision verbessern. Das Ergebnis ist die HyperSight Bildgebungslösung – eine optionale Funktion für die Varian Strahlentherapiesysteme Halcyon, Ethos, TrueBeam und Edge mit besserer Bildqualität, Präzision und Geschwindigkeit.

Aber was ist der Unterschied zwischen der Simulation auf einem Behandlungsgerät und mit Computertomographie (CT)? Herkömmliche CT-Scanner verwenden einen Fächerstrahl und einen Streifendetektor, um schnelle Bilder eines Körperstreifens aufzunehmen, während der*die Patient*in durch den Scanner bewegt wird. Linearbeschleuniger verwenden eine Technologie, die als Kegelstrahl-CT (CBCT) bezeichnet wird. Der Strahl hat die Form eines Kegels und ein großer rechteckiger Detektor nimmt eine Reihe von Bildern aus verschiedenen Winkeln auf. In Kombination mit ausgefeilter Mathematik erzeugen die Bilder eine 3D-Darstellung des Körpers – ein digitaler Patient*innen-Zwilling. Dies ermöglicht eine genaue Bestimmung der Abstände und Positionen sowohl des Tumors als auch des umliegenden gesunden Gewebes, was für die Präzisionstherapie entscheidend ist.

LINACs verwenden Elektrizität, um unter anderem hochenergetische Gammastrahlen zu erzeugen. Diese Strahlung kann für eine breite Palette von Zwecken eingesetzt werden. Eine der am weitesten verbreiteten Anwendungen ist die Behandlung von Krebs durch Abtötung von Krebszellen.

„Was die Bildgebung mit CBCT herausfordernd macht, ist, dass der gesamte Scan in einem einzigen Bogen aufgenommen wird. Jede Bewegung während des Scans kann die Bildqualität erheblich beeinträchtigen und zu Artefakten führen. Der kegelförmige Strahl führt zu einer höheren Streustrahlung. Dadurch werden die Bilder unscharf, und es ist schwierig, feine Gewebestrukturen zu erkennen“, erklärt Strzelecki. Zusammen mit seinen Kollegen stellte er sich der Herausforderung, die Bildqualität von CBCT so zu verbessern, dass die Bilder für die Behandlungsplanung genutzt werden können.

Ein Artefakt ist ein Merkmal auf einem Bild, das nicht real ist. Es ist eine (unerwünschte) Anomalie, die die anatomischen Strukturen der Patient*innen nicht genau wiedergibt. Artefakte können durch Faktoren wie technische Einschränkungen und Bewegung verursacht werden.

Strzelecki koordiniert die technischen Aufgaben und schafft ein Umfeld, in dem alle gemeinsam an der Lösung von Problemen arbeiten: „Ich habe die Rolle übernommen, die Gesamtsituation im Auge zu behalten und die Prioritäten zu verwalten. Dazu gehören aktuelle und zukünftige Plattformentwicklungen, Kundenfeedback und Wartungsupdates.”

Was ihm an seiner Arbeit am meisten Spaß macht? „Dass ich lernen kann. Ich bin ein neugieriger Mensch. Ich sehe etwas und möchte verstehen, wie es funktioniert“, sagt Strzelecki. Seine Faszination für Technologie wurde von seinem Vater, einem Mathematiker, geprägt, der ihn immer ermutigte, selbständig nach Antworten zu suchen. Seine Freizeit ist da keine Ausnahme: „Meine Hobbys ändern sich, aber oft geht es darum, nerdige Dinge zu lernen, wie Dinge selbst zu reparieren oder Bücher über Retro-Computer zu lesen.“

HyperSight ist ein gemeinsames Projekt verschiedener Forschungs- und Entwicklungsteams. Während sich Strzeleckis Team auf die Algorithmen zur Bildrekonstruktion konzentrierte, arbeitete das Softwareteam an einer neuen Benutzeroberfläche für Kegelstrahl-CT. Der neue Workflow für die Behandlungsplanung wurde mit Studien getestet, um die Benutzererfahrung zu optimieren. Das Hardwareteam entwickelte größere Detektoren, die größere Bilder erzeugen können. Zum Beispiel ermöglichen diese auf den Halcyon- und Ethos-Systemen eine kürzere 211-Grad-Drehung anstelle einer vollen 360-Grad-Drehung, was die Dauer der Aufnahme halbiert.

All diese Arbeiten wurden gleichzeitig durchgeführt. „Die größte Herausforderung bestand darin, die neuen Algorithmen zu entwickeln, ohne die neue Hardware zu haben“, sagt er. „Wir mussten die meiste Zeit mit virtuellen Modellen arbeiten. Als wir später Zugang dazu bekamen, mussten wir die Probleme kreativ angehen, denn es blieb nicht viel Zeit, um mehrere Theorien zu untersuchen.“

Strzelecki schätzt die Arbeit in einem Team mit unterschiedlichen beruflichen Hintergründen, Fähigkeiten und Perspektiven. So können sie sich gegenseitig unterstützen und Herausforderungen meistern. „Wir ergänzen uns sehr gut“, sagt er. „Unsere Kultur unterstützt die Zusammenarbeit all dieser unterschiedlichen Menschen, die eine Vielzahl von Ideen einbringen. Es ist eine großartige Erfahrung, gemeinsam etwas zu erschaffen.“ Er glaubt, dass es wichtig ist, eine gemeinsame Einstellung und Motivation zu haben: „Ich hoffe, dass wir neue Talente gewinnen können, die unsere Vision und die Arbeit meines Teams unterstützen können.“

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„Wir haben jetzt eine Bildqualität auf dem Kegelstrahl-CT, die mit dem Planungs-CT vergleichbar ist“, sagt Strzelecki. „Besonders für Patient*innen mit Tumoren in empfindlichen oder schwer einsehbaren Bereichen wie dem Beckenbereich oder der Lunge kann die Therapie präziser und personalisierter sein.“ In unserer adaptiven Therapieplattform erkennt die KI, sobald das Bild verfügbar ist, verschiedene Strukturen und aktualisiert den Behandlungsplan mithilfe KI-basierter Segmentierung. Das kann zu effektiveren Behandlungen und besseren Ergebnissen für die Patient*innen führen.

Schnellere Bildgebung kann die Behandlungszeit verkürzen. „Bei herkömmlichen CBCT-Scans müssen die Patient*innen bis zu 60 Sekunden lang den Atem anhalten. Das kann unangenehm sein und Angst auslösen. Mit unseren Anpassungen können wir das reduzieren, da die Patient*innen weniger Zeit auf dem Behandlungstisch verbringen und nur kurz die Luft anhalten müssen“, erklärt Strzelecki. Verzögerungen während der Behandlung können vermieden werden, da keine zusätzlichen Wege zu einem separaten CT-Scanner notwendig sind. „Wenn wir klinische Arbeitsabläufe effizienter gestalten, können mehr Patient*innen behandelt werden“, sagt Strzelecki.

Strzeleckis Team arbeitet routinemäßig mit klinischen Partnern zusammen, um die Bildqualität weiter zu verbessern und sicherzustellen, dass ihre Lösungen in realen Umgebungen zuverlässig sind. „Phantome in Laboren können die Komplexität echter Patient*innen nicht nachbilden. Klinische Daten und Feedback von klinischen Partnern sind entscheidend, um Probleme zu identifizieren. Es stellt sicher, dass unsere Bildgebungslösungen klinische Merkmale auf den Patientenbildern genau darstellen“, erklärt Strzelecki. Sie sammeln auch eine Vielzahl von klinischen Fällen und verfeinern den Algorithmus, damit er in verschiedenen Szenarien funktioniert.

Phantome helfen Forscher*innen und Ärzt*innen, Bildgebungssysteme zu testen und zu verbessern. Strzeleckis Team arbeitet hauptsächlich mit Phantomen, die abstrakte Objekte sind und speziell dafür gebaut wurden verschiedene physikalischer Effekte auszulösen, die die Bildqualität beeinflussen.

Porträt von Adam Strzelecki.

„Höchste Priorität hat im Moment die Entwicklung der nächsten Generation des CBCT-Rekonstruktors“, sagt Strzelecki. „Die bestehende Architektur stößt an ihre Grenzen, also entwickeln wir einen neuen GPU-zentrierten algorithmischen Stack, der mehr Komplexität bewältigen kann.“ Ziel ist es, die Codebasis zu vereinfachen, um zukünftige Entwicklungen zu erleichtern. Sie arbeiten auch daran, maschinelles Lernen und KI für die Bildgebung zu nutzen: „Das erfordert eine starke Kontrolle, um die Genauigkeit zu gewährleisten. Zukünftige Versionen werden wahrscheinlich hybride Lösungen sein, die KI mit konventionellen Methoden kombinieren, um die Übereinstimmung zwischen KI-Ausgaben und realen Messungen zu überprüfen.“

Es handelt sich um eine Sammlung von Algorithmen, die komplexe Probleme durch mehrere Schichten lösen, von denen jede eine bestimmte Aufgabe ausführt. Der Output einer Schicht fließt in die nächste ein, was Flexibilität, Skalierbarkeit und eine einfache Fehlersuche ermöglicht.

Durch das Verwenden von Grafikprozessoren (GPUs) als Hauptplattform können unsere Algorithmen schnell viele Aufgaben gleichzeitig ausführen. GPUs bieten dafür eine hohe Rechenleistung und verbrauchen dabei relativ wenig Energie und Kosten.

Adam Strzelecki beim Spaziergang vor dem Büro in Baden. Die Sonne geht hinter ihm unter.

Strzelecki betont, wie wichtig der kontinuierliche technologische Fortschritt in der Krebsbehandlung ist:

„Die Zahl an Fachärzt*innen sinkt und die Bevölkerung wächst. Das verlangt nach praktischen Verbesserungen und autonomen Systemen, um die Arbeitsabläufe effizienter zu gestalten. Dieser Ansatz ist von entscheidender Bedeutung, um im Kampf gegen den Krebs etwas zu bewirken.“ 

– Adam Strzelecki


Von Carolin Gietl
Carolin Gietl ist Volontärin in unserer digitalen Redaktion. Am liebsten kreiert sie Geschichten über unsere Innovationen und Karrieremöglichkeiten bei Siemens Healthineers.