Vielfalt, Gleichberechtigung & Zugehörigkeit

Authentisch sein im Job

LGBTQIA+Kollegen berichten, wie sie gelernt haben sie selbst zu sein
3 min
Veröffentlicht am June 27, 2022

Es können kleine Dinge sein, wie sich über die Erlebnisse des Wochenendes auszutauschen oder das Foto des Partners oder der Partnerin auf den Schreibtisch zu stellen. Doch die können so viel bedeuten. Wir haben LGBTQIA+ Kolleg*innen gefragt, wie sich ihr Arbeitsleben nach ihrem Coming-out verändert hat. Ihre Geschichten zeigen, wie großartig es ist, die Person sein zu können, die man wirklich ist. 


Melanie Schwarzmann, Leiterin Vendor Logistics Solutions bei Siemens Healthineers Customer Services

Meine Geschichte ist vielleicht etwas anders, denn ich hatte nie das Gefühl, mich bewusst outen zu müssen. Es hat sich alles so ergeben. Aber der Reihe nach: Mit Anfang zwanzig habe ich einen Mann geheiratet, mit dem ich auch sehr glücklich war. Die Ehe ging jedoch in die Brüche. Durch Zufall lernte ich im Freundeskreis meines Bruders eine Frau kennen, die nach einer Zeit ganz besondere Gefühle in mir hervorrief. Diese musste ich erst einmal selbst verstehen. Irgendwann kam es zum ersten Kuss und wir wurden ein Paar. 

Zu diesem Zeitpunkt stellte ich mir zum ersten Mal bewusst die Frage, wie ich die neue Situation meiner Familie und meinen Freunden erkläre. Mein Bruder erfuhr es als erstes. Er hat sich sehr für mich gefreut und Liane herzlich in unsere Familie aufgenommen. Auch meine Eltern und Freunde gratulierten uns zu diesem Schritt. Mittlerweile sind wir seit fünf Jahren verheiratet und es ist für mich ganz normal, in eine Frau verliebt zu sein.

In meinem Arbeitsumfeld war die Situation jedoch eine andere. Meine Kolleginnen und Kollegen wussten nur, dass es wieder jemanden an meiner Seite gibt. Nach meiner Siemens-Ausbildung in einem eher konservativen Umfeld war ich skeptisch, wie sie reagieren könnten. Doch durch einen Zufall erfuhr meine damalige Chefin von meinem Hochzeitstermin und ich habe mit ihr darüber gesprochen. Sie hat sich sehr für uns gefreut, war aber auch enttäuscht, dass ich mich so zurückgehalten habe und nicht das Vertrauen hatte, offen mit ihr über meine neue Partnerin zu reden. An diesem Tag beschloss ich, niemanden mehr zu täuschen und offen mit der Situation umzugehen. Heute bin ich selbst Führungskraft und setze mich für ein kollegiales und freundschaftliches Verhältnis im Arbeitsumfeld ein, in dem alle so sein können, wie sie sind, gerne auch etwas anders.

Matias Oliver, Remote Services Center für Computertomographie in Madrid

Eigentlich hatte ich nie das Bedürfnis, mich offiziell bei Siemens Healthineers zu outen. Ich muss aber auch zugeben, dass ich zu Beginn meiner Karriere nicht ganz ehrlich zu mir selbst war. Erst nach und nach habe ich angefangen, offener über mein Privatleben zu sprechen. Und das war für mich persönlich so wichtig, denn wenn man sein wahres Ich zeigt, kommt das Beste in einem zum Vorschein. Das spielt besonders in unserem Arbeitsalltag eine wichtige Rolle, da wir einen großen Teil des Tages bei der Arbeit verbringen. Mein Outing hat mir eine zusätzliche Last von den Schultern genommen und mich selbstbewusster sowie entspannter werden lassen. Ich denke, dass es auch für andere Menschen wie mich hilft, Kolleg*innen vor Ort zu haben, die mit Stolz die LGBTQIA+ Community an ihrem Arbeitsplatz vertreten und Informationen sowie Unterstützung geben. 

Ich bin fest davon überzeugt, dass vielfältige Teams stärker und kreativer sind. Und das trägt zu einem entspannteren und inklusiven Arbeitsumfeld beiträgt. In einem solchen Umfeld können sich alle sicher fühlen und sie wissen, dass sie bei der Arbeit freundlich und respektvoll behandelt werden. Wir sollten alle danach streben dafür zu sorgen, dass niemand zur Zielscheibe von Mobbing wird oder dass sich jemand dumme Witze über unsere Vielfalt gefallen lassen muss.

Scott Hirschuber, Trainer füor Molecular Imaging, Siemens Healthineers

Ich bin seit 18 Jahren bei Siemens Healthineers, aber erst vor acht Jahren habe ich mich geoutet. Vor meiner jetzigen Position arbeitete ich die meiste Zeit im Außendienst, so dass ich meine Kolleg*innen nie regelmäßig gesehen habe. Ich erzählte über einen Kinobesuch mit „einem Freund“ am Wochenende, und das war genug Information. 

Ich hielt mich bedeckt und tat, was mein Job verlangte. Aber es war anstrengend zwei Leben zu führen. Man ist ständig auf der Hut und muss aufpassen, dass nicht doch mal etwas rausrutscht und man etwas sagt, das einen verrät. Das ist eine große Herausforderung. Und als ich die Möglichkeit hatte, die Stelle zu wechseln, beschloss ich, diesen Teil meines Lebens nicht mehr zu verstecken. 

Mein Coming-out ging aber nicht mit einer Beförderung einher oder wurde groß verkündet. Wenn die Leute mich fragten, ließ ich es einfach nicht mehr so klingen, als treffe ich mich mit „jemandem“. Ich nannte ihn meinen Freund. Und danach veränderte sich vieles. Nicht nur mein Arbeitsleben blühte auf, sondern auch mein Privatleben. Ich glaube, dass ich dank dieser kleinen Veränderung meine Stimme gefunden habe. Und das hat mir so viele Türen geöffnet. Es war eine schwere Last zwei Leben zu führen, die endlich von meinen Schultern fiel. Erst dann konnte ich meine Kreativität und meine Leidenschaft richtig entfalten. Ich brachte mein wahres Ich zur Arbeit und musste es nicht mehr draußen lassen. Dass ich ehrlich zu mir selbst war, hat mich sehr viel selbstbewusster gemacht. Und ich hoffe, dass ich dieses Selbstbewusstsein mit anderen teilen kann, indem ich zeige, wer ich wirklich bin.

Sabine von Sengbusch, Ehemalige Leiterin Clinical Affairs Scientific Support, Validation & Labeling at Siemens Healthineers Diagnostics

Als ich 1991 meine Karriere bei Siemens in München begann, wusste niemand, dass ich in einer Beziehung zu einer Frau war. Aber je älter ich wurde, desto mehr kamen im Kollegenkreis Fragen auf, ob es eine andere Person in meinem Leben gibt. In diesen Situationen habe ich mich immer zurückgehalten, was aber bedeutet hat, dass ich mich nicht wirklich integrieren konnte.  

Als ich 2008 meine jetzige Frau kennenlernte, wollte ich meine Beziehung nicht mehr verbergen. Ich habe meiner Führungskraft erzählt, dass ich eine Beziehung mit einer Frau habe, und sie hat nur gesagt: Das ist völlig in Ordnung. Nach dieser Erfahrung habe ich ganz langsam begonnen, auch mit anderen darüber zu sprechen.  

Der große Moment meines Coming-outs war, als ich in die Business Area Diagnostics wechselte. Ich hatte ein Vorstellungsgespräch für meine neue Stelle und ging durch die Cafeteria, wo auf Bildschirmen die Pride-Mitarbeitendengruppe vorgestellt wurde. Ich lernte auch einige Mitglieder dieser Gruppe kennen und wusste, dass dies ein Unternehmen ist, für das ich arbeiten wollte. Von diesem Moment an habe ich offen kommuniziert und nie wieder zurückgeblickt. Ich hatte ein fabelhaftes Management-Team, das mich voll und ganz unterstützte. Meine Frau Sunny und ich gingen gemeinsam zu meiner ersten Betriebsfeier. Wir saßen mit meinen Kolleg*innen an einem Tisch. Und es war ein wunderbares Gefühl, vollständig akzeptiert zu werden.

Derek McIver, Leiter Digital Marketing bei Siemens Healthineers Laboratory and POC Diagnostics

Ganze 25 Jahre ist mein Coming-out bereits her. Ich war gerade 13 Jahre alt und saß im Geschichtsunterricht der 8. Klasse, als ich meiner Freundin hinter mir einen Zettel zusteckte. Einen Moment später tippte sie mir auf die Schulter. „Wirklich?!“, flüsterte sie. Und ich antwortete „Ja“. Die Lehrerin ermahnt uns und dann ging alles schnell. Schon bald wussten auch meine anderen Klassenkamerad*innen davon. 

In den Jahren danach habe ich mich immer wieder aufs Neue outen müssen – ob in der Uni, in neuen Jobs oder gegenüber Freund*innen und deren Bekannten. Es ist irgendwie ein Dauerzustand. Als ich dann vor fast zehn Jahren anfing bei Siemens zu arbeiten, habe ich erst mal meinen Arbeitsplatz so eingerichtet, dass ich mich selbst wohlfühle. Ich hängte neben meinem Computermonitor und über meinem Aquarium ein Hochzeitsfoto auf, das meinen Mann und mich zeigt, wie wir uns im Schneidersitz gegenübersitzen und küssen. Ich sprach auch über meinen Mann, zum Beispiel bei gemeinsamen Mittagessen im Büro. Auf diese Weise verlief auch mein Coming-out bei Siemens – subtil, aber offen und ehrlich. Und das hat sich bis heute nicht geändert. 

Ein Coming-out ist eine ganz persönliche Entscheidung. Es hat mich stärker gemacht, und ich glaube, dass ich ohne diese Entscheidung mein Leben nicht hätte weiterführen können. Es war mitten in den späten 90er Jahre in Massachusetts. Ellen DeGeneres hatte sich gerade im Fernsehen geoutet, und ich hatte zum Glück viel Unterstützung zuhause. Es war sicher nicht einfach, sich schon als junger Teenager zu outen, aber es hätte viel schlimmer kommen können. In New York, wo ich derzeit lebe, identifizieren sich heute bis zu 40 Prozent der obdachlosen Jugendlichen als LGBTQ. Es ist eine zutiefst persönliche Entscheidung, denn nicht überall wird so offen damit umgegangen. Siemens Healthineers hat es mir immer ermöglicht, zu meiner Identität zu stehen, und dafür bin ich sehr dankbar.