Innovationskultur

Eine Geschichte voller Innovationen

Spiral-CT, Mehrschicht-CT, Ultra Fast Ceramic Detektoren, Straton- und Vectron-Röhre, Dual Source, Dual Energy, Stellar-Detektor – diese und viele weitere Hard- und Software-Entwicklungen haben Siemens Healthineers zum Innovationsführer in der Computertomographie gemacht.
5min
Ingo Zenger, Doris Pischitz
Veröffentlicht am 3. November 2021

Der erste photonenzählende Computertomograph (CT)1 in der klinischen Routine setzt diese Innovationsgeschichte konsequent fort.

London, im Herbst 1971: 76 Jahre nach der Entdeckung der Röntgenstrahlen hüpfen ein Radiologe und ein Ingenieur – wie einer der beiden später erzählt – vor Freude „auf und ab wie zwei Fußballspieler beim Siegtor“. Die beiden halten ein völlig neuartiges Röntgenbild in der Hand: eine sogenannte Tomographie, die ein Gehirn in bisher ungekannter Qualität abbildet.
Die Geschichte der Computertomographie bei Siemens beginnt denn auch mit einer Reise der Entwicklungschefs nach London. In der Grundlagenforschung bei Siemens in Erlangen wird noch 1972 eine eigene CT-Entwicklungsabteilung eingerichtet, und schon 1975 bringt Siemens seinen ersten Computertomographen auf den Markt: Der Schädelscanner SIRETOM erzeugt Schnittbilder des Gehirns und benötigt pro Scan einer Doppelschicht knapp fünf Minuten. Bereits zwei Jahre später dauert eine Kopfaufnahme mit einem Siemens-Ganzköperscanner nur noch fünf Sekunden. Und auch Untersuchungen von Leber, Darm und Gelenken sind möglich.
Um noch während der Untersuchung ein Bild liefern zu können, ist das SOMATOM 1983 mit dem damals schnellsten serienmäßigem Bildrechner der Welt ausgestattet. In den ersten zehn Jahren ist dennoch nichts an der grundlegenden Technik der CT-Scanner verändert worden. Die Leistungsgrenze liegt vor allem an der Arbeitsweise des Mess-Systems: Beschleunigung, 360-Grad-Drehung, Abbremsen, Stopp, Drehung in die andere Richtung, Stopp. Mit dem SOMATOM Plus und seiner kontinuierlichen Rotation überwindet Siemens 1987 diese Grenze: Bisher wurde der rotierende Teil des CT über Kabel mit Strom versorgt, nun wird die Energie mit Schleifringen übertragen.
Deutlich höhere Geschwindigkeit bedeutet deutlich mehr Daten. Zur Übertragung nutzt Siemens ein optoelektronisches System. Auch die anderen Komponenten des SOMATOM Plus sind an die höhere Geschwindigkeit angepasst: Die Röntgenröhre leistet doppelt so viel wie bisherige Röhren und kühlt wesentlich schneller ab.
Die kontinuierliche Rotation schafft die Grundlage für die Spiral-CT. Die Röntgenstrahlen tasten den Körper dabei spiralförmig ab. Die Software zur Bildrekonstruktion muss dafür auch den Tischvorschub berücksichtigen.
Die enormen Datenmengen der Spiral-CT lassen sich ab Mitte der 1990er-Jahre erstmals dreidimensional darstellen. Ebenfalls einzigartig sind Detektoren aus Ultra Fast Ceramics (UFC), die das bisher verwendete Xenon-Gas ersetzen, die Röntgenstrahlen nahezu vollständig absorbieren und sie vergleichsweise verlustfrei in elektrische Signale umwandeln. In Kombination mit immer fortschrittlicher Software führt dies auch zu deutlich geringeren Strahlendosen.
1998 geht Siemens mit der Einführung der Mehrschicht-CT einen weiteren Schritt. Sie teilt den Detektor in mehrere Zeilen, die die Signale der Röntgenröhre voneinander unabhängig verarbeiten und deshalb mehrere Schichten pro Umdrehung aufnehmen. Ganze Organe können in hoher Auflösung abgebildet werden – und erstmals auch die Herzkranzgefäße.
Schon knapp drei Jahre später geht Siemens mit dem weltweit ersten 16-zeiligen CT den nächsten Schritt: Der Sprung auf 16 Zeilen und die Rotationszeit auf 0,4 Sekunden macht nun auch die feinen Seitenäste der Herzkranzgefäße sichtbar.
Doch die Belastung für die Röntgenröhre durch Hitzeentwicklung bei langen Scans und die mechanische Belastung der Drehlager ist hoch. Abhilfe schafft die Straton-Röntgenröhre, eine Drehkolbenröhre. Bei dieser Bauweise rotiert die komplette Vakuumröhre. Das macht sie deutlich robuster und kompakter; zudem führt sie etwa zehnmal mehr Hitze ab.
Eine Revolution der Technik setzt dann eine komplette Neukonstruktion des CT-Grundgerüsts voraus: der erste Dual-Source-CT mit zwei Röhren-Detektor-Systemen. Das SOMATOM Definition benötigt zur Datensammlung pro Schicht einer 180-Grad-Rotation lediglich eine 90-Grad-Drehung. Kombiniert mit der Rotationszeit von nur 0,33 Sekunden ergibt sich eine zeitliche Auflösung von 0,083 Sekunden, zum Beispiel für gestochen scharfe Aufnahmen des bewegten Herzens.
Die Integration von Photodiode und Signalumwandler in einen Chip im Stellar Detektor verringert das Elektronikrauschen und die Patientendosis um bis zu 30 Prozent. Gleichzeitig werden Strukturen von bis zu 0,30 Millimeter sichtbar. Die Reduzierung der Strahlendosis spielt auch bei der Entwicklung der Vectron-Röntgenröhre eine wichtige Rolle. Mit ihr können auch Menschen mit mehr Körperfülle mit niedriger Röhrenspannung und damit geringerer Dosis untersucht werden. Das SOMATOM Force schließlich reizt alle High-End-Komponenten von Siemens aus: Die 1,6 Tonnen schwere Gantry rotiert viermal in der Sekunde um die Patientin oder den Patienten. Die erreichbare Auflösung liegt bei 0,24 Millimetern und die Strahlenbelastung beispielsweise bei einem Lungenscan bei 0,1 Millisievert.
Um diese enorme Menge an dreidimensionalen Daten konstruktiv einzusetzen, entwickeln die Ingenieurinnen und Ingenieure neue Werkzeuge. Was ausgeklügelte Software kann, zeigen die Bilder des Cinematic Rendering. Gleichzeitig hält künstliche Intelligenz in der CT Einzug – und zwar sowohl in die Scan-Vorbereitung als auch in die Auswertung: Der myExam Companion unterstützt Anwender*innen bei der optimalen Vorbereitung des Scans, und der AI-Rad Companion Chest CT1 kann Radiolog*innen bei der Beurteilung von Ergebnisbildern entlasten.

Mit der photonenzählenden CT stellt Siemens ein neuartiges Konzept vor, basierend auf einer vollkommen neuen Detektortechnologie und wesentlichen Neuentwicklungen bei sämtlichen Systemkomponenten sowie Hard- und Software. Es eröffnet neue Horizonte durch die bislang unerreichte Kombination von hoher Bildschärfe und extrem kurzer Bildaufnahmezeit mit verbesserten Bildkontrasten und aussagekräftigeren Bildinhalten. Gleichzeitig wird weniger Strahlen- und Kontrastmitteldosis benötigt. Es handelt sich also nicht nur um eine neue, bessere Generation von CT-Scannern – die CT wird neu definiert.


Von Ingo Zenger, Doris Pischitz
Ingo Zenger ist Autor am Historical Institute von Siemens Healthineers.
Doris Pischitz ist Redakteurin in der Unternehmenskommunikation bei Siemens Healthineers. Das Team ist spezialisiert auf Themen rund um Gesundheit, Medizintechnik, Krankheitsbilder und Digitalisierung.