Telemedizin für Herzpatienten

Erfahren Sie, wie Herzpatient*innen in einer ländlichen Region Portugals von der Telemedizin und der modernen Medizintechnologie profitieren.
5min
Manuel Meyer
Veröffentlicht am 28. Februar 2022

In einem Krankenhaus im ländlich portugiesischen Évora erleben Herz-Patient*innen von nah und fern schon jetzt die Zukunft der interventionellen Kardiologie. Telemonitoring und innovative Technologien erleichtern und optimieren selbst im dünn besiedelten Hinterland des Alentejo hoch-qualitative Behandlungen und Betreuung. Zwei Patient*innen geben Einblick in ihre Genesungsgeschichten.

Irgendwann setzen die ersten Symptome ein. „Ich war ständig müde. Die Beine und Hände taten mir weh“, erklärt Francisco Antonio Rosa auf der Gartenterrasse seines Einfamilienhauses in Lissabon. Das kannte er nicht. „Ich war immer gesund, steckte voller Energie“, versichert der 84 Jahre alte Portugiese.
Trotz seines hohen Alters führte er bis vor einem halben Jahr noch jeden Tag von morgens bis abends die in ganz Lissabon bekannte Konditorei „Pastelaria Dâmaso“ in der Avenida de Roma. „Der Kontakt zu meinen Stammkunden war mir immer sehr wichtig“. Doch plötzlich ging es gesundheitlich nicht mehr. Bei Untersuchungen stellte sich heraus, dass Francisco an einem Herzklappenfehler leidet. Sein Kardiologe empfahl ihm, sich von Portugals renommierten Spezialisten für interventionelle Kardiologie, Professor Lino Patrício, behandeln zu lassen. Dieser arbeitete am Lissaboner Hospital de Santa Marta. Perfekt, denn Portugals größtes Universitätsklinikum befindet sich in unmittelbarer Nähe von Franciscos Haus. Das Problem: Professor Patrício war gar nicht mehr dort tätig.

Den bekannten Kardiologen hatte es mittlerweile ans Hospital do Espírito Santo de Évora (HESE) verschlagen, einem Krankenhaus im ländlichen Alentejo. Ausgerechnet hier im Landesinneren, rund 150 Kilometer von Lissabon entfernt, baut Patrício zusammen mit Siemens Healthineers eines der landesweit modernsten und innovativsten Zentren für Interventionskardiologie auf. Durch die mehrjährige Partnerschaft mit Siemens Healthineers stehen dem integralen Herz-Kreislauf-Zentrum in Évora neben Telemedizin-Lösungen und Beratungsleistungen zur Prozessoptimierung zudem auch modernste Bildgebungs-Technologien zur Verfügung. Diese erlauben es Lino Patrício und seinem Team, bei Francisco Antonio Rosa nun einen katheterbasierten Aorten-Klappenersatz (TAVI) durchzuführen. Dabei wird am schlagenden Herzen und ohne Vollnarkose, über einen Katheter eine Aortenklappe implantiert. Damit verfügt das HESE-Hospital über das einzige Katheterlabor im Süden Portugals und außerhalb Lissabons, welches diese schonende Interventionstechnik bei Herzoperationen anwenden kann.

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Innovationstechnologie, die Francisco Antonio Rosa Vertrauen schenkt. Bereits vor dem Eingriff fühlte er sich in guten Händen, versichert der Herzpatient. Und das, obwohl die Entfernung zwischen Lissabon und Évora relativ groß ist. Der Grund: Dank des Telemonitoring-Systems stand Francisco bereits im Vorfeld in permanentem Kontakt zum Team von Professor Lino Patrício. Über Wochen schickte er jeden Vormittag mit den ausgeliehenen Messgeräten und der Smartphone-App seine Gewichtsangaben, Blutdruckwerte, den SpO2-Gehalt im Blut sowie seine Herzfrequenz ans HESE-Hospital, wo drei klinische Mitarbeiter*innen sich ausschließlich um die Auswertung der Vitalwerte der Patient*innen kümmern.

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„Zu Anfang brauchte ich noch die Hilfe meines Sohnes Nuno. Aber die Geräte und die App sind sehr leicht und intuitiv zu bedienen“, erklärt Rosa. Obwohl er die klinischen Messungen und Übertragungen vorsichtshalber trotzdem mit seiner Frau Maria Lurdes zusammen macht. Sobald sich einige Werte verschlechterten, erhielt er einen Anruf der zuständigen telemedizinischen Ansprechpartner oder des Arztes aus Évora. „Das gab mir Vertrauen und Sicherheit“, bestätigt Francisco. Die Fernüberwachung seines Gesundheitszustands im Vorfeld der Operation erleichterte ihm aber auch den Alltag. „Denn so musste ich nicht ständig zu meinem Kardiologen oder sogar ins Krankenhaus nach Évora zur Kontrolle des Gesundheitszustandes, was ich gerade während der COVID-Pandemie nur ungern gemacht hätte“, gibt er zu.

Francisco Antonio Rosa

Am Morgen nach unserem Interview wird Francisco von der Krankenschwester Marisa Serrano für die Operation vorbereitet, während im Nachbarraum Lino Patrício und sein Ärzteteam die letzte Bildbefundung der Aorta und Arterien studieren. Francisco ist froh, dass es endlich soweit ist. „Ich möchte meine Lebensqualität zurückgewinnen, mit meinen drei Enkel spielen und mit meinem Hund Max endlich wieder spazieren gehen können“, meint Francisco.
Für Constança Pires ist dieser Traum bereits in Erfüllung gegangen. Mitte August implantierte ihr der Spezialist für interventionelle Kardiologie mit dem TAVI-Verfahren eine neue Herzklappe. „Nach wenigen Tagen war ich bereits wieder fit und kann seitdem wieder ein relativ normales Leben führen“, erklärt die 79-jährige Portugiesin aus Evoramonte. Sie ärgert sich ein wenig, fast fünf Jahre gewartet zu haben. „Zum Schluss konnte ich kaum noch das Haus verlassen, so wenig Kraft hatte ich“. Ihr Garten mit Oliven- und Zitrusbäumen lag brach. Ehemann Lúcio und sie konnten ihn nicht mehr pflegen. Auch das Einkaufen und Kochen fiel ihr schwer. Sie sträubte sich aber lange gegen eine Herz-OP aus Angst, dass ihr Brustkorb geöffnet werden müsste. Als man ihr nach einem erneuten Schwächeanfall im Juli am HESE-Krankenhaus aber über das jetzt verfügbare TAVI-Verfahren und das Telemonitoring erzählte, willigte sie dem Eingriff schließlich ein.
With this method a biological prosthetic heart valve is implanted through a small access by catheter.
Ihre Enkeltochter half ihr beim Messen und Verschicken der Daten übers Smartphone. Die gesundheitliche Fernüberwachung vor und nach dem Eingriff hatte für sie gleich mehrere Vorteile: Einerseits brauchte sie in Corona-Pandemie-Zeiten nicht regelmäßig für die Vor- und Nachuntersuchungen ins Krankenhaus zu gehen, andererseits ersparte es ihr viel Geld und Zeit. Evoramonte, eine kleine 500-Seelen-Gemeinde, befindet sich zwar nur 30 Kilometer von Évora entfernt. Dennoch ist man in den Dörfern der dünn besiedelten Region praktisch isoliert, wenn man kein Auto hat. Die Region des Alentejo nimmt ein Drittel der Fläche Portugals ein,doch leben hier gerade einmal 700.000 Menschen. Das sind 22 Personen pro Quadratkilometer. Überlandbusse fahren nur zwei Mal pro Tag nach Évora. „Und ein Taxi für die Hin- und Rückfahrt hätte mich jedes Mal 70 Euro gekostet“, erklärt Constança Pires, die als ehemalige Plantagenarbeiterin über keine üppige Rente verfügt. Für sie ist die telemedizinische Betreuung ein Segen – gesundheitlich, wie finanziell.

Von Manuel Meyer

Manuel Meyer lebt in Madrid und berichtet als freier Journalist für die Deutsche Ärztezeitung und andere Medien aus Spanien und Portugal.