Innovationskultur

Teleassistenz in der Radiologie 

Wie digitale Lösungen bei Personalmangel und komplexer Diagnostik helfen können. 

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Nadine Meru
Veröffentlicht am April 18, 2023

Die Radiologie steht vor neuen Herausforderungen, wie dem Fachkräftemangel. In den USA finden große Krankenhäuser eine Lösung, indem sie Teleassistenz einsetzen, was sowohl für das Personal als auch für die Patient*innen eine Erleichterung darstellt.

Die Alterung der Weltbevölkerung ist eine Folge der anhaltenden Abnahme der Geburtenrate und der steigenden Lebenserwartung. Dieser demografische Wandel bedeutet, dass es mehr Menschen im Alter über 60 Jahre gibt,[1] was zu einer Überlastung der Gesundheitssysteme führt, denn auch diese Patient*innen brauchen eine medizinische Versorgung. Die steigende Nachfrage und die Komplexität der verschiedenen Indikationen bringen die medizinisch-technischen Radiolog*innen (MTR) an ihre Grenzen. Eine neue Arbeitsmethode entlastet das klinische Team und bietet neue Beschäftigungsmöglichkeiten.

AdventHealth ist eines der Krankenhäuser weltweit, die von der sogenannten 'Great Resignation' (übersetzt: die große Resignation) betroffen sind. Technisch anspruchsvolle und komplizierte MRT-Scans werden im Hauptstandort in Orlando, USA, durchgeführt, wo sich die erfahrenen Medizinisch-technischen Radiolog*innen befinden. Diese Situation hat sich historisch so entwickelt, als es nur das Hauptkrankenhaus gab und die MTR  auf herkömmliche Weise ausgebildet wurden. In den letzten Jahren hat sich das verändert, denn AdventHealth ist gewachsen und hat im ganzen Bundesstaat Ambulanzen mit diagnostischer Versorgung eingerichtet. Melissa Petrasko, Vizepräsidentin für Bildgebung bei AdventHealth, erklärt: „Wir stießen auf Hürden, als komplexere Fälle in kleineren Einrichtungen nicht durchgeführt werden konnten. Das Personal kann dort nicht weitergebildet werden, weil die personelle Kapazität an diesen Standorten so gering ist, dass der Kompetenzerhalt für uns ein Kriterium darstellt.“ 

Der radiologische Techniker, William Lee, MRT Spezialist bei AdventHealth, fügt hinzu: „Unsere Radiologen konnten oft Verfahren wie kardiale MRT an kleinen Standorten nicht durchführen, da die MTR vor Ort mit diesen Untersuchungen nicht sehr vertraut waren. Dort haben sie vielleicht eine pro Monat, wenn überhaupt. Ich sehe etwa drei oder vier pro Woche.“

Früher mussten vom AdventHealth fast täglich Patient*innen für komplexere Verfahren von ihren kleinen Gemeindekrankenhäusern zum Hauptstandort nach Orlando transportiert werden. Einige ambulante Zentren sind etwa 30 Meilen entfernt, und in manchen Fällen erforderte die Vorbereitung solcher Untersuchungen für die Patient*innen einen Aufenthalt von über 24 Stunden. Außerdem kam es zu einem Rückstau an geplanten MRT-Untersuchungen, was wiederum die Durchlaufzeiten erhöhte.

Bei virtuellem, auch genannt Remote Scanning, handelt sich um eine technologische Teleassistenz, die es einem oder einer erfahrenen MTR ermöglicht, mit mehreren Standorten verbunden zu sein und mit bis zu drei MRT-Scanner-Standorten gleichzeitig zusammenzuarbeiten. Der Austausch zwischen der oder dem spezialisierten MTR und dem Patienten betreuenden Personal erfolgt in Echtzeit über Live-Video, Audio und einer Chatfunktion. 
„Durch Remote Scanning konnte der Experte an einem Standort bleiben, ohne zu einem anderen fahren zu müssen, und so die Patienten scannen, ohne dass sie dorthin verlegt werden mussten“, sagt Lee. Durch die Verringerung des Transportaufwands werden Ressourcen für andere Zwecke frei. Die Patient*innen erhalten Zugang zu nahegelegenen MRT-Scanner-Standorten, wo sie schnell Termine bekommen und so eine kürzere Wartezeit haben.

Wie Remote Scanning funktioniert

Am AdventHealth suchte man nach einer Lösung, die es nicht mehr erforderlich macht, die Patient*innen zur Technologie zu bringen – stattdessen wurde die Technologie zu den zu Untersuchenden gebracht. Für das Remote Scanning am MRT erfordert es einen Laptop und eine spezielle Software, so dass die oder der MTR von jedem beliebigen Ort aus scannen kann.2


Melissa Petrasko, Vice President of Imaging Services, Central Florida Division at AdventHealth, Orlando, Florida, USA.

Im Jahr 2019 installierte AdventHealth syngo Virtual Cockpit – eine Software, die mit CT-, MRT- und MR/PET-Scannern verwendet werden kann. „Seit der Einführung dieser Technologie haben wir bereits 1.000 Patienten gescannt und mussten keinen einzigen Patienten wiederholen", sagt Petrasko. „Zuvor lag die Wiederholungsrate in kleineren Kliniken bei etwa 40%. Mit dieser Technologie konnte AdventHealth seinen Marktanteil bei kardialen MRT Untersuchungen um 38% steigern. Und das Team ist begeistert.“

syngo Virtual Cockpitist eine Software, die virtuelles Scanning ermöglicht. 

Erfahren Sie mehr

Die Teleassistenz scheint jüngeren und noch unerfahrenen MTR mehr Sicherheit zu geben, da sie damit durch die Untersuchungsprotokolle geführt werden und von ihren spezialisierten Kolleg*innen lernen. „Virtuell können drei Scanner gleichzeitig bedient werden. Wenn jemand anruft, müssen wir nicht absagen oder einen neuen Termin vereinbaren, sondern sie rufen einfach ihren erfahrenen MTR an, der sie unterstützt“, sagt Petrasko.


William Lee

Es werden immer mehr Scans benötigt, aber gleichzeitig herrscht vielerorts ein Mangel an Spezialist*innen. Große Krankenhäuser brauchen heute hervorragende Managementfähigkeiten, um hohe Arbeitskosten zu vermeiden. Dies gilt auch für die diagnostische Bildgebung, wo die digitale Anbindung durch Remote-Scanning das klinische Personal unterstützen kann, so dass die Arbeitsabläufe einfacher werden.
Mit einem intelligenten Mix aus digitalen Gesundheitslösungen konnte Geisinger, das sich in Pennsylvania befindet, die Radiologieprotokolle durch Teleassistenz standardisieren, den Zugang zur Versorgung verbessern und die Gerätenutzung maximieren. Das Remote-Scannen ermöglicht es den Pflegeteams, die Untersuchungsabläufe zu vereinfachen, die Produktivität zu steigern und an allen Standorten qualitativ hochwertige Diagnostik anzubieten.
Erfahren Sie mehr darüber, wie das Geisinger Health System praktische Innovationen nutzt, um die Krankenversorgung zu optimieren.

Von Nadine Meru
Nadine Meru, Dr. rer. nat., hat in Biologie promoviert und arbeitet als Redakteurin bei Siemens Healthineers. Sie hat sich auf Technologie- und Innovationsthemen spezialisiert.