Bildgebung

„Photonenzählende CT wird der neue Standard in der Thoraxbildgebung“

In der Pulmologie ermöglicht photonenzählende Computertomographie (CT) den Ärzt*innen eine genaue Funktionsbeurteilung dank hoch detaillierter Spektralkarten.
3min
Doris Pischitz
Veröffentlicht am February 6, 2023

Professor Dr. med. Frank Wacker1 und Professor Dr. med. Jens Vogel-Claussen1 berichten über ihre Erfahrungen in der klinischen Praxis.

Frank WackerAm Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie der Medizinischen Hochschule Hannover setzen wir den NAEOTOM Alphaseit Herbst 2021 ein. Wir waren sehr gespannt auf die Dosiseffizienz des neuen Systems, da CT-Scans die Hauptquelle der Strahlenbelastung für Patient*innen in der Radiologie sind. Wir hatten viele klinische Anwendungen dafür im Sinn. Die Bildgebung der Lunge ist ein wissenschaftlicher Schwerpunkt hier an der Hochschule, und wir hatten in diesem Bereich hohe Erwartungen an die neuartige photonenzählende Technologie. Wir hofften auf nützliche Informationen für unsere Patient*innen mit Lungenerkrankungen dank der hohen räumlichen Auflösung und der hochwertigen Spektraldaten.

Frank Wacker ist Direktor des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie an der Medizinischen Hochschule Hannover in Deutschland und Leiter der Abteilung Bildgebung am Clinical Research Center Hannover. Seine Forschungsschwerpunkte sind bildgesteuerte Therapien, interventionelle Onkologie und quantitative klinische und präklinische Bildgebung. Er ist Principal Investigator am Deutschen Zentrum für Lungenforschung und am Forschungscampus STIMULATE sowie Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Interventionelle Radiologie.

Frank Wacker schätzt die Dosiseffizienz der photonenzählenden CT

Jens Vogel-ClaussenMit dem herkömmlichen Dual-Source-CT-Scanner konnten wir die Dual-Energy-Daten nicht für die High-Pitch-Erfassungen [FLASH-Modus] nutzen, die für eine CT-Brustkorb-Angiografie erforderlich sind ‒ insbesondere bei kurzatmigen Patient*innen. Ein weiteres Problem war die Bildauflösung im Lungenparenchym. Die brauchen wir, um die intralobulären Strukturen des Lungenparenchyms angemessen darzustellen.

Jens Vogel-Claussen ist Bereichsleiter für kardiopulmonale Bildgebung und stellvertretender Direktor des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie an der Medizinischen Hochschule Hannover. Zu seinen Forschungsinteressen gehören neue technische Entwicklungen in der kardiopulmonalen Bildgebung und deren Umsetzung in die klinische Praxis. Er ist Principal Investigator am Deutschen Zentrum für Lungenforschung, Vorstandsmitglied der Sektion Thoraxbildgebung der Deutschen Röntgengesellschaft und Redaktionsmitglied der Zeitschrift Radiology: Cardiothoracic Imaging.

Jens Vogel-Claussen: Die neue photonenzählende Detektortechnologie kann Röntgenphotonen direkt in elektrische Signale umwandeln, was zu einer wesentlich höheren Bildauflösung und weniger Bildrauschen führt. Außerdem sind die Spektraldaten stets verfügbar und die Qualität ist besser als bei herkömmlichen Detektorsystemen. Wir haben auch festgestellt, dass die Strahlenbelastung für unsere Patient*innen geringer ist.

Jens Vogel-Claussen: Sie verbessern die Bildqualität. Das ist sehr nützlich für detaillierte Beschreibungen von Lungen- und Lungengefäßerkrankungen und für interdisziplinäre Konferenzen, die klinische Entscheidungen erfordern.


Jens Vogel-Claussen sieht das Potenzial der photonenzählenden CT in der Lungenkrebsvorsorge.

Frank Wacker: Kinder und junge Erwachsene mit chronischen Lungen- und Herzkrankheiten und einem klinischen Bedarf an einmaligen oder manchmal sogar einer Reihe von CT-Scans. Sie profitieren von strahlungsarmen und kontrastarmen photonenzählende CT-Scans, ohne Abstriche bei der diagnostischen Bildqualität machen zu müssen.

Jens Vogel-Claussen: Erwachsene profitieren allgemein von der geringeren Strahlendosis. Außerdem senkt die die photonenzählende CT bei ultraniedriger Dosis mit Zinnfilter die Strahlung fast auf das Niveau einer Röntgenaufnahme der Brust. Die Technologie hat ein enormes Potenzial für die künftige Lungenkrebsvorsorge.

Jens Vogel-Claussen: Die Jodinformationen verwenden wir in unserer täglichen klinischen Routine, um die Perfusion des Lungenparenchyms zu beurteilen und Lungenmassen und -knötchen zu bewerten. Wenn wir Patient*innen mit chronisch thromboembolischer Hypertonie vor und nach der Operation untersuchen, profitieren wir von der verbesserten Bildauflösung im Arterienbaum der Lunge und von der Beurteilung der pulmonalen Parenchymperfusion [Abbildung 1].

Photonenzählende CT-Untersuchung von chronisch thromboembolischer pulmonaler Hypertonie

Jens Vogel-Claussen: Die Fähigkeit, ein breites Spektrum an monoenergetischen Bildern zu rekonstruieren, ist in unserer täglichen klinischen Routine sehr nützlich. Wenn wir zum Beispiel die Bilder näher an der k-Kante von Jod rekonstruieren, erhalten wir einen besseren Gefäßkontrast. Dies ist hilfreich bei der Durchführung von CT-Lungenangiographien zum Nachweis einer Lungenembolie.

Jens Vogel-Claussen: Standardmäßige photonenzählende CT-Untersuchungen funktionieren gut. Wenn wir bewerten wollen, wie ein*e Patient*in auf eine Chemotherapie anspricht, verwenden wir eine feste Kontrastverzögerung von 70 Sekunden, um auch die Vaskularität von Lungentumoren zu beurteilen.

Jens Vogel-Claussen: Dank der verbesserten Bildauflösung und -qualität können wir das Muster des Lungenparenchyms detaillierter darstellen. So können wir beispielsweise intralobuläre Septumverdickungen oft deutlicher erkennen, als es bei CT-Scannern mit herkömmlichen Detektoren möglich war. So lassen sich fibrotische Lungenerkrankungen in der täglichen klinischen Routine besser klassifizieren [Abbildung 2].

Frank Wacker: Ich erinnere mich an einen Patienten mit einem 8 mm großen Lungenknoten. Dank der Jodinformationen und der hohen räumlichen Auflösung konnten wir in der Tumorkonferenz mit Sicherheit einen bösartigen Knoten diagnostizieren.

Jens Vogel-Claussen: Aufgrund ihrer hohen Leistungsfähigkeit gegenüber CT-Scannern mit konventionellen Detektoren hat die photonenzählende CT das Potenzial, der neue Standard in der Thoraxbildgebung zu werden.


Von Doris Pischitz
Doris Pischitz ist Redakteurin in der Unternehmenskommunikation bei Siemens Healthineers. Das Team ist spezialisiert auf Themen rund um Gesundheit, Medizintechnik, Krankheitsbilder und Digitalisierung.