Connected health

Smarte Lösungen für die Radiologie 

Radiologieteam sichert mit Remote Scanning die Patientenversorgung

7 min
Andrea Lutz
Veröffentlicht am 3. Juli 2023

Das Universitätsklinikum Essen hat ein innovatives Verfahren eingeführt womit so genanntes Remote Scanning bei MRT-Untersuchungen per Fernsteuerung durchgeführt wird. 

„Wir haben Fachkräftemangel. Es gibt tatsächlich nicht so viele MTR, dass es den Arbeitsmarkt decken würde“, sagt Beate Bontke, zuständig für Personal- und Organisationsentwicklung im Bereich Radiologie am Universitätsklinikum Essen. Ihre Herausforderung: Es gibt bei Weitem nicht genug Bewerbungen für die derzeit offenen Stellen. In Deutschland fehlen Millionen Arbeitskräfte. Im Jahr 2035 sollen knapp 1,8 Millionen offene Stellen im Gesundheitswesen nicht besetzt werden können, weil qualifizierte Kräfte fehlen [1], so lauten die Prognosen. Schon heute haben 46 Prozent der deutschen Krankenhäuser Stellenbesetzungsprobleme bei Medizinischen Technolog*innen (MT) [2]. Hochgerechnet sind aktuell 1170 Stellen für MT unbesetzt, davon 840 in der Radiologie [3]. Und das ist nicht nur in Deutschland so – es ist ein europaweites Problem. Das Universitätsklinikum Essen verfolgt mehrere Ansätze, diesem Mangel an Expertise beizukommen. 

Das Motto aller Bemühungen lautet: Fachkräfte gezielt einsetzen – Arbeitskraft flexibel umverteilen. Und die Essener Radiologiefachleute haben früh erkannt, dass smarte technische Lösungen hierbei den entscheidenden Vorteil bringen.

Remote Scanning ermöglicht, dass MTR zu jeder Zeit von jedem Ort aus arbeiten können. Eine Riesenchance für die Radiologie. 
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Ein innovativer Ansatz, an dessen Entwicklung das Essener Institut konzeptionell beteiligt war, ist „Remote Scanning“ – also die Durchführung von Untersuchungen am MRT via Fernsteuerung. Über einen virtuellen Zugang können Medizinische Technolog*innen für Radiologie (MTR) bis zu drei bildgebende Systeme – im Beispiel von Essen sind es Magnetresonanztomographen (MRT) – gleichzeitig steuern. Ein hohes Maß an Standardisierung trägt dazu bei, die Produktivität zu steigern.


Anton S. Quinsten is Chief Radiology Technologist & IT Administrator at the Institute of Diagnostic and Interventional Radiology and Neuroradiology at University Hospital Essen, Germany.

Wie das praktisch abläuft, beschreibt Anton S. Quinsten, leitender MTR und Referent für Innovationsmanagement in Essen: „Unsere Untersuchungsmanager loggen sich über eine VPN-Verbindung sicher im Netzwerk der Klinik ein und steuern die Untersuchung von der Remote-Scanning-Konsole aus. Dabei können sich unsere Fachkräfte voll und ganz auf die Untersuchungen konzentrieren. Am MRT kümmern sich indessen Patientenmanager um die korrekte Lagerung und die Betreuung der Patienten und sind dabei via Chatfunktion in Kontakt mit unseren Spezialisten. Das ermöglicht uns beispielsweise, dass wir noch unerfahrene Teammitglieder kurzfristig am Gerät unterstützen oder dass die erfahrenen Fachkräfte die Untersuchungen vom Homeoffice aus selbst durchführen – und zwar bis zu drei Untersuchungen simultan“, so Quinsten.

Gemeinsam mit Siemens Healthineers haben die Expert*innen des Uniklinikums Essen Remote Scanning entwickelt. 
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Bereits seit sieben Jahren arbeiten die Essener mit dem Remote-Ansatz. In der Zeit der Corona-Pandemie hat sich schnell ein weiterer Vorteil gezeigt. Ein Teil des Essener Teams konnte im Homeoffice bleiben und von dort aus MRT-Untersuchungen steuern. Die Patient*innenversorgung in der Klinik wurde aufrechterhalten. 
Inzwischen hat sich die Option, an ein paar Tagen in der Woche von zuhause aus arbeiten zu können, herumgesprochen und kommt bei den begehrten Fachkräften gut an.


Beate Bontke is a specialist nurse for anesthesia and intensive care at the Institute of Diagnostic and Interventional Radiology and Neuroradiology at University Hospital Essen, Germany.

In Essen werden Fachkräfte heute ganz flexibel eingeplant. „Wir haben den gesamten Arbeitsablauf analysiert und überlegt, welche Prozesse wir verändern können, denn es ist heute nicht mehr möglich, zwei MTR an einem Gerät einzuteilen“, beschreibt Anton S. Quinsten. „Mit Remote Scanning können auch Teammitglieder eingeplant werden, die noch nicht vollständig an den Scannern eingearbeitet sind, da sie immer auf Remote Unterstützung durch erfahrene Personen zurückgreifen können. Die Patientenlagerung und die Betreuung können sogar Medizinstudierende übernehmen. So haben wir die Möglichkeit, unsere Fachkräfte ganz gezielt einzusetzen. Und auch während der Elternzeit oder Schwangerschaft kann nach Wunsch von zu Hause aus weitergearbeitet werden, ohne dass sie von der Routine ausfallen.“
Was nach einem nüchternen Rechenbeispiel klingt, zielt vor allem darauf ab, die medizinische Versorgung aufrechtzuerhalten. Beate Bontke macht deutlich: „Wir leisten hier in der Radiologie jährlich einige hunderttausend Untersuchungen. Die Anzahl von Fachkräften reicht gerade, um das zu schaffen. Darum haben wir schon vor Jahren neue Wege eingeschlagen, um die Patientenversorgung nachhaltig zu gewährleisten. Remote Scanning ist eine unserer Ideen. Und wir entwickeln laufend weitere.“

Könnten Medizinische Technolog*innen in Zukunft freiberuflich für mehrere Kliniken tätig sein und auf anstehende Untersuchungen via Plattformlösung zugreifen? 
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Durch den Einsatz der Remote-Scanning-Software syngo Virtual Cockpit1 entstehen für Patient*innen Vorteile: „Indem wir Patientenmanager einsetzen, die ausschließlich für die Lagerung und Betreuung der Patienten zuständig sind, bleibt jetzt wieder mehr Zeit, den Patienten gut für die Untersuchung vorzubereiten und um zu erklären, wie genau die Untersuchung abläuft,“ schildert Anton S. Quinsten seine Erfahrung. Viele seien vor einer solchen Untersuchung häufig angespannt, weil sie in der engen Röhre Platzangst verspürten, eine Diagnose erwarten oder weil der Verlauf einer bestehenden Krankheit kontrolliert werde. „Unsere Patientenmanager können jetzt auch mal wieder in Ruhe ein paar persönliche Worte wechseln – das tut allen gut.“

Remote Scanning wird durch die Softwarelösung syngo Vitural Cockpit ermöglicht.
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Von Andrea Lutz
Andrea Lutz ist Journalistin und Business-Trainerin mit den Schwerpunkten Medizin, Technik und Healthcare IT. Sie lebt in Nürnberg, Deutschland.