Innovationskultur

Photonenzählende CT: schnell und schonend scannen

Photonenzählende Computertomographen (CT)1 liefern den Ärzten zusätzliche Informationen, die die Diagnose und Therapie in Kardiologie, Pulmologie und Onkologie maßgeblich verbessern werden.

4min
Andrea Lutz
Veröffentlicht am December 1, 2021

Bald wird die Computertomografie Therapieentscheidungen maßgeblich beeinflussen: Photonenzählende Detektoren erzeugen präzise Informationen und ermöglichen, dass manch invasive Untersuchung eingespart werden kann, weil Patienten schneller eine klare Diagnose erhalten. Mit dem NAEOTOM Alpha geht das erste klinische photonenzählende CT-System an den Start.

Die mit Hilfe photonenzählender Detektoren erzeugten klinischen Bilder weisen eine hohe Auflösung sowie einen verbesserten Kontrast im Vergleich zu Bildern aus herkömmlichen Computertomografen auf. Zugleich kann bei der Computertomografie nochmal Röntgendosis eingespart werden. Das macht die Bildgebung mit dem photonenzählenden Detektor schonender und ermöglicht es, sie fortan als echte Alternative im Rahmen von Screening-Programmen und zur Verlaufskontrolle beispielsweise im Rahmen einer Krebstherapie einzusetzen. Patienten profitieren von der nicht-invasiven Detektion sehr kleiner Gewebeveränderungen, auf die eine umgehende Therapieplanung folgen kann.[1] Darum kann in Zukunft die Zahl der Patienten, für die sich eine CT-Untersuchung empfiehlt, in mehreren klinischen Fachgebieten ansteigen.

Bei vielen Menschen mit einer Herzschwäche haben sich Kalkablagerungen in den Herzkranzgefäßen gebildet. Auf herkömmlichen CT-Aufnahmen erscheint dieser Kalk in den Koronararterien so dominant, dass nicht mehr zu erkennen ist, ob das betroffene Gefäß noch gut durchblutet ist: Kalk und ein kontrastmittelgefülltes Gefäß werden praktisch beide Grau in Grau dargestellt. Darum mussten sich bislang viele Patienten zur genaueren Diagnose einer minimalinvasiven Herzkatheteruntersuchung unterziehen. Mit einem photonenzählenden CT wird nun eine klare Darstellung der Herzkranzgefäße erreicht, dass Engstellen in den Gefäßen eingeschätzt werden können.



Professor Dr. Heinz-Peter Schlemmer, Leiter der Radiologie im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg, konnte bereits mit einem photonenzählenden CT arbeiten. Damit es gelingt, Gewebe und andere Materialien zuverlässig voneinander zu unterscheiden, ist konsistentes klinisches Bild unverzichtbar. In der Kardiologie wird das gesichert durch das auch im photonenzählenden CT eingesetzte Dual Source Prinzip: zwei Messsysteme im NAEOTOM Alpha ermöglichen es, die Aufnahmezeit so kurz zu halten, dass das Herz unbewegt zwischen zwei Schlägen und damit scharf abgebildet wird.

Bei der Nachverarbeitung werden unterschiedliche Materialien farblich gekennzeichnet – beispielsweise sind dann Kalk, Jod und das tatsächliche Lumen in verschiedenen Farbtönen dargestellt. So kann das Ausmaß von Verengungen oder Plaques in den Koronararterien auf Basis der CT-Aufnahme beurteilt werden.

Das Lumen bezeichnet in der Medizin den inneren Hohlraum von Organen und röhrenförmigen Körpern, zum Beispiel der Blutgefäße.

Die Computertomografie ist eine etablierte Methode, um anatomische Veränderungen im Lungengewebe zu erkennen – aufgespürt werden damit bereits Tumore ab einer Größe von 0,3 Millimetern oder interstitielle Lungenerkrankungen. Das photonenzählende CT ermöglicht die Darstellung detaillierter Strukturen und kombiniert sie mit funktionellen Informationen. Zum Hintergrund: Das konventionelle Röntgenbild des Thorax weist nach Angaben des Robert Koch-Instituts bei 50 bis 60 Prozent der COVID-19-Erkrankten Veränderungen auf. Die konventionelle CT-Untersuchung zeigt diese in rund 85 Prozent der Fälle.[2] Bei Patienten mit der Verdachtsdiagnose einer COVID-19-Pneumonie am Klinikum rechts der Isar zeigte sich bei 81 Prozent der PCR-positiven Patienten auch ein typischer CT-Befund.[3]

Eine Gruppe von Lungenerkrankungen, die die Wände der Lungenbläschen (Alveolen) oder das Bindegewebe betreffen. Sie führen zu einer Häufung von Entzündungszellen im Lungengewebe, verursachen Kurzatmigkeit und Husten.



Allerdings: Solche CT-Befunde einer COVID-19-Pneumonie sind nicht spezifisch und zeigen sich auch bei anderen Pneumonien.[4] Bisherige Erfahrungen zeigen, dass sich mittels einer CT-Untersuchung vor allem die Schweregrade einer COVID-19-Pneumonie unterscheiden lassen.[3] Die wichtigsten Aufgaben der CT sind also vor allem die Diagnose von Komplikationen, die mit der Entzündung des Lungengewebes einher gehen oder die Verlaufsbeurteilung in schweren Fällen. Speziell solche Lungenuntersuchungen werden von der Kombination aus hoher Bildschärfe, kurzer Aufnahmezeit und verfeinerter Gewebecharakterisierung profitieren. „Wir können Veränderungen der dünnen Septen, der Trachea und der Bronchialwände darstellen, die uns vorher verborgen blieben“, bestätigt Schlemmer. Allerdings soll die Computertomografie nicht zum Screening oder als Erstlinientest zur Diagnose von COVID-19 verwendet werden, wie eine Stellungnahme der Deutschen Röntgengesellschaft besagt.

Pneumonie bezeichnet eine akut oder chronisch verlaufende Entzündung des Lungengewebes.

Im Verlauf jeder Krebserkrankung ist es wichtig zu erkennen, ob die gewählte Therapie auch die gewünschte Wirkung erzielt. Dabei gilt es, auch sehr kleine Veränderungen im Gewebe zu finden und vor allem etwaige Metastasen früh aufzuspüren. Bereits heute werden Krebspatienten mitunter mehrfach zum CT gebeten – und dabei ist der schonende Einsatz von Strahlendosis das A und O.

Ein Beispiel: Brustkrebs bildet häufig Absiedlungen in den Knochen – die sogenannten Skelettmetastasen. Patientinnen beklagen in diesem Fall starke Schmerzen, es kommt schlimmstenfalls zu Knochenbrüchen oder das Rückenmark wird geschädigt. Radioonkologe Eckhard Wehrse und seine Kollegen am DKFZ haben im Rahmen einer Studie die von einem photonenzählenden CT erzeugten Bilder von solchen Metastasen mit konventionellen CT-Aufnahmen verglichen. Dabei wurden die von der innovativen Detektortechnik generierten Bilder von den Medizinern durchgehend als „scharf“ und „detailreicher“ beurteilt.

Metastasen sind Ansammlungen von Tumorzellen in einem vom Ursprungsherd der Krankheit entfernten Körperteil.



Insbesondere Veränderungen an sehr feinen Strukturen seien besser zu erkennen gewesen.[1] Weitere Studien sollen folgen, aber schon jetzt lässt sich konstatieren, dass die photonenzählende CT zur Verlaufskontrolle von Brustkrebs sehr gut geeignet ist. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die ausgesandte Röntgenstrahlung aufgrund der innovativen Detektortechnologie niedrig bleiben kann. Wie Schlemmer beobachtet hat: „Die hohe Empfindlichkeit des photonenzählenden Detektors trägt dazu bei, dass der Scanner – wenn er nicht auf voller Leistung läuft, sondern wie ein Standard-CT betrieben wird – die Dosis um bis zu 40 Prozent reduzieren kann.“

Misst man die Energie jedes einzelnen Photons beim Auftreffen auf den Detektor, dann kann das echte Signal von bisher auftretenden Elektronikrauschen unterschieden werden. Das störende Elektronikrauschen kann so erstmalig komplett eliminiert werden.

Auf einer CT-Aufnahme erscheinen Organe wie Leber, Herz, Gallenblase und Milz allesamt in ähnlichen Grauschattierungen, denn sie erzielen die gleiche Röntgenschwächung. Um mehr Informationen mit dem Scan zu erlangen, wird Patienten vor der Untersuchung ein Kontrastmittel verabreicht – üblicherweise Jod. Ein Lebertumor wird beispielsweise etwas weniger oder etwas mehr Kontrastmittel aufnehmen als das gesunde Lebergewebe – so lassen sich auch ganz kleine Veränderungen aufspüren. Bei der Behandlung von Leberkrebs wird nun radioaktives Jod in die Leber eingebracht. Weil sich dieses Material fast ausschließlich am Tumor und nicht an anderen Organen anlagert, werden in der Folge nur die Tumorzellen zerstört. Allerdings: Bei Kontrollsuchungen überlagert das radioaktive Jod häufig noch das Leberbild. Genau dann wäre es sinnvoll, ein anderes Kontrastmittel für den Kontrollscan einsetzen zu können. Mit einem photonenzählenden Detektor können auch Kontrastmaterialien wie Wismut oder Gold dargestellt werden – und das ist nicht nur im Rahmen einer onkologischen Kontrolluntersuchung von Vorteil, sondern auch grundsätzlich für Patienten mit Erkrankungen der Schilddrüse oder Nieren, die kein Jod vertragen. Heute gibt es bereits große Forschungsaktivität in Richtung der Entwicklung neuer Kontrastmittel, die im Zusammenhang mit dem photonenzählenden Detektor noch mehr neue klinische Anwendungen erschließen werden.

Röntgenstrahlen werden bei der Durchdringung von Gewebe und anderen Materialien geschwächt. Beim Auftreffen auf den Detektor prägt die verbleibende Energie der Photonen den Bildkontrast.


Von Andrea Lutz
Andrea Lutz ist Journalistin und Business-Trainerin mit den Schwerpunkten Medizin, Technik und Healthcare IT. Sie lebt in Nürnberg, Deutschland.