Klinisches CT Bild
Künstliche Intelligenz

Von der Innovation zur Wirkung: Wie KI die Versorgung verbessert

KI verändert das Gesundheitswesen, indem sie Menschen völlig neue Möglichkeiten bietet. Ärztinnen und Ärzten verschafft sie mehr Zeit, sich auf das Wichtigste zu konzentrieren: ihre Patient*innen. KI verwandelt Daten in Entscheidungsgrundlagen und bringt Klarheit in komplexe Sachverhalte. So trägt sie dazu bei, die Gesundheitsversorgung schneller, intelligenter und menschlicher zu gestalten.
Sophie Gräf
Veröffentlicht am 24. Oktober 2025
Jedes Krankenhaus hat seinen eigenen Rhythmus, geprägt vom Kommen und Gehen der Patient*innen, den Bewegungen der Ärzt*innen, dem Summen der Geräte. Doch dieser Rhythmus beschleunigt sich immer mehr. In aller Welt stehen Gesundheitssysteme unter Druck: Die alternde Bevölkerung, die steigende Nachfrage und der Fachkräftemangel machen es immer schwieriger, allen Patientinnen und Patienten die Zeit und Aufmerksamkeit zu schenken, die sie verdienen. Die wahre Herausforderung besteht nicht nur darin, mehr zu tun, sondern eine bessere Versorgung zu leisten. Künstliche Intelligenz (KI) soll das menschliche Mitgefühl nicht ersetzen, sondern verstärken. Sie hilft Ärztinnen und Ärzten, komplexe Muster zu erkennen. Krankenhäusern erlaubt sie, ihre Ressourcen sinnvoller einzusetzen. Und Patient*innen können dank KI persönlich und präzise versorgt werden.

In der Radiologie ist jedes klinische Bild ein Teil der Geschichte der Patient*innen – und die Zahl der Fälle steigt ständig. Angesichts der wachsenden Nachfrage stehen Radiologieteams unter zunehmendem Druck, mit hoher Geschwindigkeit präzise Arbeit zu liefern. „Wir werden die wachsende Nachfrage nicht befriedigen können, ohne unsere Arbeitsweise zu optimieren“, sagt Professor Dr. med. Fabian Bamberg, ärztlicher Leiter der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Freiburg in Deutschland. KI kann dies unterstützen, indem sie leise im Hintergrund wirkt und damit Bildverarbeitungsteams hilft, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

„Der entscheidende Schritt für den gesamten diagnostischen Weg ist die Auswahl des Untersuchungsprotokolls. Es muss zu den einzelnen Patient*innen, zum klinischen Kontext und zum verwendeten Scanner passen“, sagt Professor Dr. med. Christopher L. Schlett, ärztlicher Leiter der Radiologie am Universitäts-Herzzentrum in Bad Krozingen, Deutschland.

Prof. Dr. Christopher L. Schlett und eine MTRA  bei der Durchführung eines CT Scans.

Das Volumen an bildgebenden Verfahren steigt und Radiologieteams müssen diese wachsende Nachfrage befriedigen, ohne Abstriche bei Qualität und Konsistenz zu machen. Standardisierte Protokolle sorgen für Effizienz und Zuverlässigkeit, gehen aber oft auf Kosten der Personalisierung, also der Fähigkeit, jede Untersuchung an den einzelnen Menschen anzupassen. Das richtige Gleichgewicht zwischen Effizienz und Individualisierung zu finden, ist zu einer der entscheidenden Herausforderungen in der Diagnostik geworden. Große Sprachmodelle (LLMs) können diesen Prozess auf präzise und personalisierte Weise automatisieren. Radiologieteams erhalten so die Freiheit, sich auf die Nuancen zu konzentrieren, die kein Algorithmus verstehen kann.

„KI schafft bereits einen enormen Mehrwert durch die Automatisierung einzelner Routineaufgaben. Der nächste Schritt wird darin bestehen, ganze Phasen des Bildgebungsprozesses mithilfe von KI zu automatisieren und so autonom wie möglich laufen zu lassen. So kann ich komplexen Fällen und vor allem meinen Patient*innen mehr Zeit und Aufmerksamkeit widmen“, erklärt Bamberg.

Große Sprachmodelle (LLMs) sind eine Form der künstlichen Intelligenz, die darauf trainiert ist, menschliche Sprache zu verstehen und zu erzeugen. Im Gesundheitswesen können solche Modelle klinische Unterlagen, Überweisungen und Patient*innendaten interpretieren und so die Entscheidungsfindung unterstützen. Für die Radiologie bedeutet dies, dass ein LLM eine ärztliche Anfrage lesen, die klinische Fragestellung verstehen und das optimale Bildgebungsprotokoll empfehlen kann. So wird die Untersuchung ganz auf die Person, die Erkrankung und den verwendeten Scanner abstimmt.

Tausende von Kilometern entfernt in Kanada arbeitet das medizinische Team von Cancer Care Alberta mit einem ganz anderen Druckfaktor: der Zeit selbst. Für Krebspatient*innen kann das Warten auf eine Diagnose oder eine Therapie eine Qual sein. Jede Krebserkrankung ist einzigartig und jeder Mensch braucht einen ganz individuellen Behandlungsplan. Daran sind mehrere Abteilungen, Spezialist*innen und Ressourcen beteiligt, die zeitlich perfekt koordiniert sein müssen. Für Krankenhäuser ist es eine enorme Herausforderung, diese Bedürfnisse in Echtzeit zu antizipieren.

Jetzt hilft KI, selbst auf Unvorhersehbares vorbereitet zu sein. Prognosemodelle analysieren über 300.000 Krebsdiagnosen und Millionen von Konsultationen, Bildgebungen und Laborergebnissen, damit Krankenhäuser ihre Nachfrage prognostizieren, Personal planen und Ressourcen richtig zuweisen können. Das verkürzt die Wartezeiten, weil es die Bereitschaft erhöht.

Dr. Omar Khan, Onkologe, Cancer Care Alberta, Kanada, deutet auf ein klinisches Bild.

„Wir müssen sicherstellen, dass die Patient*innen genau zum richtigen Zeitpunkt Zugang zu einer hochmodernen Versorgung haben, die auf ihre individuellen Bedürfnisse zugeschnitten ist“, sagt Brenda Hubley, Chief Program Officer bei Cancer Care Alberta.

Neben der Planung von Ressourcen bietet KI den Kliniker*innen auch ein ganz neues Verständnis der Krankheiten selbst. „Krebs ist eine nichtlineare Krankheit. Mit künstlicher Intelligenz können wir die inhärenten Grenzen linearer Modelle überwinden“, sagt Dr. med. Omar Khan, medizinischer Onkologe bei Cancer Care Alberta. Das Team hat ein KI-Modell entwickelt, das über 5.000 Merkmale aus CT-Bildern extrahieren kann, um die Überlebensaussichten von Patient*innen vorherzusagen. „Schon mit unseren ersten Daten ist das Modell ein besserer Prädiktor als das Staging“, sagt Khan. „Es geht nicht nur um den Krebs, sondern um den Gesamtzustand der Patient*innen.“

Der wahre Maßstab für Fortschritt ist nicht, wie intelligent die Systeme werden, sondern wie viel menschlicher wir die Gesundheitsversorgung gestalten können. „Meiner Meinung nach unterstützen Versorgungsteams und Gesundheitssysteme Krebspatient*innen am besten, wenn sie anerkennen, dass die wahren Expert*innen die Betroffenen selbst und ihre Angehörigen sind“, sagt Charlotte Kessler von der Patient*innen- und Angehörigenberatung bei Cancer Care Alberta. Bei ihr selbst wurde 2013 eine seltene Form von Hirnkrebs diagnostiziert. „Wir wissen selbst am besten, wie wir uns fühlen. Wir wissen, wie es ist, wenn man uns zuhört, uns versteht und sich mit uns beschäftigt. Wir fühlen uns gestärkt, und dann können wir dem Krebs aus einer viel stärkeren Position heraus begegnen.“


Sophie Gräf
Sophie Gräf
Von Sophie Gräf
Sophie Gräf ist Online-Redakteurin und Content Creator für Multimedia-Inhalte bei Siemens Healthineers.