Zukunftsweisende Therapien

Ein Hybrid-OP in Asien – minimalinvasive, bildgeführte Chirurgie

5min
Chia-Min Chang
Veröffentlicht am 2. Februar 2020

Mit ihrer reichen Vergangenheit als ehemaliges Handels- und Machtzentrum ist die taiwanesische Stadt Tainan für Vieles bekannt – nun auch für ihre bahnbrechende Arbeit auf dem Gebiet der minimalinvasiven, bildgeführten Chirurgie.

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Die Metropolregion um Tainan hat drei Millionen Einwohner, die eine hochmoderne medizinische Versorgung erwarten. Krankenhäuser in Taiwan stehen in einem harten Wettbewerb um Patienten, der nur mit den neuesten Behandlungsmethoden und -technologien zu gewinnen ist. Robotergestützte Chirurgiesysteme und Hybrid-OPs sind integraler Bestandteil des modernen taiwanesischen Gesundheitswesens. Um minimalinvasive Therapieoptionen anbieten zu können, sind Möglichkeiten zur Röntgenbildgebung im Operationssaal ein Muss.

Das Chi Mei Medical Center in Tainan feierte gerade sein 50-jähriges Jubiläum. Das Krankenhaus ist mit der Stadt gewachsen und verfügt heute über 2.450 Betten. Nach der Installation des ersten OP-Roboters im Süden Taiwans war die Inbetriebnahme eines neuen Hybrid-OPs mit einem robotergestützten Bildgebungssystem ein weiterer Meilenstein für das Chi Mei Medical Center. Der Hybrid-OP in Chi Mei steht Klinikern aus vielen Disziplinen zur Verfügung und ist im Behandlungsverlauf vieler Patienten von großer Bedeutung. Thoraxchirurgie ist nur ein Beispiel für die vielen hier durchgeführten Eingriffe, sie ist in Taiwan aber besonders wichtig.

 

Ein neuer Hybrid-Operationssaal im Chi Mei Medical Center in Taiwan wird für Eingriffe bei komplexen Lungenkrebsoperationen genutzt.

Yao Fong, MDLeiter der Thoraxchirurgie, Chi Mei Medical Center, Tainan, Taiwan

Mit dem wirtschaftlichen Erfolg Taiwans nahm die Luftverschmutzung unvermeidlich zu. Außerdem kochen Taiwanesen gerne, oft aber in schlecht belüfteten Räumen, was sie fettigen Aerosolen unmittelbar aussetzt. Ob es nun an diesen Faktoren liegt oder an bisher unentdeckten Erbanlagen: eine Langzeitstudie hat ergeben, dass taiwanesische Nichtraucher ein höheres Risiko tragen, an Lungenkrebs zu erkranken, als Raucher in Europa und den USA [1–5]. 

Angesichts dieser verblüffenden Statistiken sowie des Todes von Ko Chun-hsiung, einem beliebten Filmstar und späteren Politiker, der erst kürzlich einem Lungenkrebsleiden erlag, forderten die Gesundheitsbehörden eine landesweite Studie zu Vorsorgeuntersuchungen mit niedrigdosierten CT-Scans. Bei breit angelegten Screenings stellt sich natürlich die Frage, wie mit den Ergebnissen umzugehen ist. Solche Untersuchungen zeigen manchmal mehrere kleinere Lungenknötchen bei ansonsten gesunden Patienten. Um diese zu behandeln, setzen Yao Fong, Leiter der Thoraxchirurgie, und seine Kollegen auf die fortschrittlichen Bildgebungsmöglichkeiten eines multidisziplinären robotergestützten Bildgebungssystems. Fong ist seit fast 30 Jahren Chirurg und war der erste für Thoraxchirurgie zertifizierte Arzt in der Region Tainan.

„In den letzten zwei bis drei Jahren ist die lokale Fünf-Jahres-Überlebensrate bei Lungenkrebs von früher knapp über 60 % auf über 90 % gestiegen, ob nun aufgrund von verbesserter Diagnostik oder moderner Operationstechnik. Das ist für uns ein sehr wichtiger Fortschritt“, sagt Fong. „Natürlich ist ein Hauptgrund dafür, dass die Menschen mehr auf ihre Gesundheit achten. Aber auch die Fortschritte bei Diagnosegeräten und bildgeführter Chirurgie tragen dazu bei.“

Fong fährt fort: „Mit dem neuen Bildgebungssystem können wir die komplette Operation im OP sicher durchführen. Diese Verfahren sind riskant und haben eine hohe Sterblichkeitsrate, aber jetzt, glaube ich, können unsere Chirurgen diese Schwierigkeiten erfolgreich bewältigen und zuversichtlicher und sicherer arbeiten.“*

Lungenkrebs ist nicht nur eine weit verbreitete Krankheit in Taiwan, es ist auch die Krebsform, die am häufigsten zum Tod führt. „Wir behandeln jedes Jahr etwa 300 Lungenkrebsfälle“, sagt Fong. In der Vergangenheit stieg das Risiko, wenn Patienten bewegt werden mussten. „Scans und Tumormarkierungen wurden in der Radiologie durchgeführt, wo wir Vitalparameter nicht überwachen können.“ Patienten wurden nur mit Lokalanästhesie behandelt, bis sie zur Resektion des Tumors in den regulären OP verlegt wurden, so Fong. „Transport und Umlagerung der Patienten kann zu Pneumothorax, Hämothorax oder einfach zu Unbehagen und Ängsten führen“, fügt er hinzu. Patienten bewegten sich beim Transport auch häufig, was zur Dislokation des Markers führen konnte. Bei Dislokation des Markers mussten Ärzte manuell nach Knötchen suchen, sie also mit dem Finger im Schnitt ertasten, sagt Fong. 

Und dann kam ARTIS pheno und mit ihm die Fähigkeit, Knötchen während des Eingriffs zu lokalisieren, ohne dass der Patient bewegt werden muss. Die Live-Bildgebung brachte mehrere Vorteile mit sich: Um kleinere Knötchen zu entfernen, markieren die Chirurgen in Chi Mei die Stelle mit Farbstoff- oder Festmarkern und entfernen dann die Knötchen, ohne die sichere OP-Umgebung verlassen zu müssen. Früher, als das Verfahren auf zwei Räume verteilt war, „konnten Markerfarbstoffe verblassen oder verschmieren“, sagt Yu-Feng Tian, Vizepräsident des Chi Mei Medical Center. „Wir mussten uns immer beeilen.“ Und Eile konnte wiederum ein weiterer Risikofaktor werden.

 


Professor Chin-Hong ChangLeiter der Neurochirurgie, Chi Mei Medical Center, Tainan, Taiwan

Aus administrativer Sicht ist ein Risiko für den Patienten nicht das einzige Problem. Im Gesundheitswesen zählen manchmal nicht nur optimale klinische Ergebnisse, sondern auch Kosteneffizienz. „ARTIS pheno hat einen viel größeren C-Arm und bietet damit mehr Freiheit und Platz für die Patientenlagerung“, so Fong. „Wir brauchen die Lokalisierung in der Radiologieabteilung nicht mehr, wir können mehrere Läsionen direkt im OP lokalisieren. Dies senkt die Kosten, denn der Transport von Patienten zwischen verschiedenen Abteilungen entfällt, was für das Krankenhaus von Vorteil ist“, erklärt Tian. „Das ist ein hochmodernes Bildgebungssystem. Es hilft unseren Chirurgen, sehr kleine Läsionen im OP sehr präzise zu lokalisieren. Kein Zweifel, eine so genaue Lokalisation erleichtert die Operation und verkürzt die Dauer von Eingriff und Anästhesie“, fügt er hinzu. „Mit diesem neuen System können wir kleine Läsionen im OP in 3D sehen,“ ergänzt Fong

 

Krankenhausinfektionen unter Kontrolle zu halten, ist in sensiblen Umgebungen wie im OP eine weltweite Herausforderung. Laut Weltgesundheitsorganisation sind die jährlichen finanziellen Verluste durch bei Behandlungen übertragene Infektionen erheblich: „In Europa werden sie auf etwa 7 Milliarden Euro geschätzt, in den USA auf 6,5 Milliarden US-Dollar, und diese Zahlen beziehen sich nur auf die direkten Kosten und die resultierenden 16 Millionen zusätzlichen Krankenhausaufenthaltstage“ [1]. In einer Welt mit zunehmenden antibiotikaresistenten Infektionen will das Chi Mei Medical Center seinen Patienten im Hinblick auf Infektionskontrolle die neuesten Standards bieten. 

Fong beschreibt den Zusammenhang zwischen Dauer des Eingriffs und Infektionsrisiko so: „Mit einer kürzeren Eingriffsdauer verkürzt sich auch die Dauer der Anästhesie, was natürlich Kontrolle und Prävention von Infektionen zu einem gewissen Grad erleichtert“. Er fügt hinzu: „Das neue System kommt mit weniger außen liegenden Schläuchen aus, das ganze Design ist integrierter. Das sorgt allgemein im Raum für verbesserte Sauberkeit.“

Wie bei anderen Verfahren, beispielsweise TAVI und EVAR**, verschwinden die Grenzen zwischen den Disziplinen. Der Chirurg von heute ist sowohl mit der klassischen Chirurgie als auch mit interventionellen Techniken einschließlich Bildgebung vertraut. Im Hybrid-OP, wo sich optimale Ergebnisse nur in Teamarbeit erzielen lassen, arbeiten die Disziplinen enger zusammen. Krankenhäuser können heute in Hybrid-OPs Verfahren anbieten, die früher eventuell invasiver waren oder mehrere unterschiedliche Schritte erforderten. Wenn Eingriffe schneller und sicherer in einem Operationssaal durchgeführt werden können, dann ist das nicht nur ein Effizienzgewinn, sondern kommt auch dem Patienten zugute.

Fong erklärt: „Unser neues System bietet den großen Vorteil, dass wir den Patienten zeitnah und in nur einem Schritt vorbereiten können: Punktieren und dann sofort die Operation durchführen. Innerhalb von etwa 30 Minuten beginnt der Eingriff. Wir können den Patienten im Voraus anästhesieren, was Angstzustände vermeiden und damit das Risiko reduzieren kann. So können wir sofort nach der Markierung des Tumors operieren, ohne Probleme bei der Läsionslokalisation, etwa durch Verwischen oder Verschmieren des Farbstoffs. Das neue System verbessert sowohl unsere medizinische Leistungsfähigkeit als auch die Genauigkeit unserer Diagnosen und Behandlungen. Für den Patienten sind diese Verfahren jetzt tatsächlich minimalinvasiv.“*

 

Der neue Hybrid-Operationssaal im Chi Mei Medical Center ist mit ARTIS pheno ausgestattet.

„Mit einem so fortschrittlichen System im Operationssaal arbeiten wir viel sicherer. Seit wir das neue System installiert haben, konnten wir unsere Therapien verbessern und neue Ansätze entwickeln. Für die intraoperative Bildführung ist ARTIS pheno unserer Meinung nach wahrscheinlich das beste System“, fasst Fong zusammen. Der Nutzen für den Patienten geht über verbesserte klinische Ergebnisse hinaus; es geht auch um Sicherheit, Komfort und Beruhigung. In Zukunft dreht sich alles darum, Risiken zu reduzieren, sei es durch Prävention, Screening oder Unterstützung durch fortschrittliche Bildgebung mit lebensrettenden Details. Und wie Chin-Hong Chang, Leiter der Neurochirurgie im Chi Mei Medical Center, sagt: „Riskant ist nicht das, was man sieht, sondern das, was man nicht sieht.“


Von Chia-Min Chang