Patrick Hauser-Interview mit Laborroboter Pepper

Nachts im Labor – Wie autonome Laborroboter MTLs entlasten können

06.10.2023

Röhrchen rein, Ergebnis raus, und zwischendurch kein Mensch mehr: In einem neuen, „The Box“ genannten Kliniklabor werkeln in durchsatzschwachen Zeiten tagsüber, vor allem aber nachts und am Wochenende zwei Roboter und analysieren Laborproben im Alleingang. Das funktioniert – und es löst ein gravierendes Problem.

Robotergestützte Systeme kommen an immer mehr Orten zum Einsatz – seit Langem schon in den Produktionsstraßen der Industrie, immer häufiger in Operationssälen und zumindest gelegentlich in der Interaktion mit Menschen, beispielsweise als maschinelle Info-Punkte in Museen oder in der Corona-Pandemie, als Zimmerservice in Quarantänezentren. In der klinischen Medizin sind es neben den OP-Robotern vor allem die Laborroboter, die zunehmend Verbreitung finden – bisher allerdings vorwiegend in Form so genannter Total Lab Automation Systeme in Großlaboren.

Probleme mit ihren Laboren hätten dieser Tage aber nicht zuletzt kleinere und mittlere Krankenhäuser, sagt Dr. Christian Unzicker, Medizinische Geschäftsführer bei Diakovere, die in Hannover insgesamt fünf Krankenhäuser betreiben. Die Hannoveraner arbeiten mit einem Zentrallabor und einem separaten Notfalllabor für jeweils mehrere Standorte. Weniger zeitkritische Speziallaboruntersuchungen werden outgesourct. „Der Trend im Laborbereich geht weiter zur Konsolidierung“, so Unzicker. 

Das Ganze gleicht vor dem Hintergrund des zunehmenden Kostendrucks und vor allem des auch in der Labormedizin immer gravierenderen Fachkräftemangels für viele Klinikbetreiber einer Quadratur des Kreises. Medizinische Technolog*innen für die Laboratoriumsanalytik (MTL) werden händeringend gesucht. Sie fehlen vor allem in den Randzeiten, sprich Nacht-, Wochenend- und Feiertagsschichten. Auch Labormedizinerinnen und -mediziner seien in manchen Regionen kaum zu bekommen, so Unzicker: „In ein paar Jahren wird das ein noch viel größeres Thema sein. Wir können nicht an all unseren Standorten Labormediziner beschäftigen.“

Einen Ausweg aus diesem Dilemma kann die Robotik weisen, sagt Patrick Hauser, Geschäftsführer der Medilys Laborgesellschaft mbH, ein Tochterunternehmen der Asklepios Kliniken. Hauser berichtet über erste Erfahrungen mit einer hoch innovativen robotergestützen Kleinautomatisierung von Siemens Healthineers: „Aktuell haben wir die Robotiklösung „The Box“ als Medilys Futurelab bereits in den Kliniken Bad Oldesloe und Westerland/Sylt im Einsatz.Im Westklinikum Hamburg-Rissen rollen wir sie gerade aus.“ 

Wie andere Klinikbetreiber seien die Asklepios-Kliniken mit einem steigenden Kostendruck konfrontiert, der auch die Laborkosten betreffe, so Hauser. Gleichzeitig erwarte das klinische Personal zurecht eine maximale Ergebnisverfügbarkeit, auch nachts und am Wochenende. Das mache die standortübergreifende Konsolidierung selbst in einem Klinik-Cluster wie Hamburg teilweise schwierig. Denn Transportzeiten könnten nicht beliebig verkürzt werden. Auch die Implementierung von Point-of-Care-Labors stoße in Zeiten des Pflegemangels an Personal- und Akzeptanzgrenzen, zudem böten POC-Labore nur eine begrenzte Analytik bei hohen Kosten und großem Aufwand für Analytik und Qualitätskontrollen.

Genau für solche Konstellationen sei das Konzept des autonomen Labors, wie es mit The Box umgesetzt wird, ideal, betont Hauser. Es handelt sich bei The Box um einen konventionellen Laborraum mit einer Stellfläche von mindestens 17 Quadratmetern, in dem ein breites Spektrum an Laboranalytik vorgehalten wird, d.h. ein Basislabor Klinische Chemie, Gerinnung, Hämatologie und auch Immunologie. In Kernschichten tagsüber wird das Labor von einer/einem MTL betrieben. Für die Randschichten oder auch zwischendurch, wenn die MTLs mit manuellen Tätigkeiten gebunden sind, erfolgt der Wechsel in den automatischen Betrieb: Kollege Roboter tritt seine Schicht an. Dafür werden zwei eigens entwickelte Roboterarme in den Raum gefahren, die dann nachts, am Wochenende oder wann immer nötig die Befunddurchführung übernehmen. Der Wechsel vom manuellen in den automatischen Modus zurück dauert jeweils nur etwa zehn Minuten. 

Der Clou an der Sache sei, dass die beiden Kernaufgaben einer MTL, die Befunddurchführung und die Validierung, getrennt würden, betont Hauser. Vor Ort im Labor übernehmen die Roboterarme die Probenvereinzelung, das System erkennt u.a. anhand der Kappenfarbe die Art der Analytik und initiiert dann die weitere Prozesskette. Die Probe kommt zum Beispiel in die Zentrifuge und durchläuft den kompletten Analyseprozess. Bis dahin ist keinerlei menschlicher Eingriff nötig. Erst bei der Validierung der Ergebnisse kommen Labormitarbeiter*innen ins Spiel. Aber die validieren nicht vor Ort, sondern dank telemedizinischer Anbindung von einem anderen Standort aus, dort, wo das Labor auch in Randschichten besetzt ist.

Diese Lösung erlaube es, einen Laborbetrieb vor Ort mit all seinen Geschwindigkeitsvorteilen auch bei sehr reduzierter Personaldecke im Zuge des Fachkräftemangels aufrecht zu erhalten, betont Hauser. In Bad Oldesloe habe es früher einen 24/7-Betrieb mit knapp fünf Vollzeitstellenäquivalenten gegeben. Das musste aufgegeben werden, der Betrieb lief jahrelang nur noch bis 16 Uhr. Jetzt könne Dank der Roboter mit 2,1 Vollzeitäquivalenten wieder ein 24/7-Betrieb ermöglicht werden. Bei Standorten, die nicht zu weit voneinander entfernt sind, ist sogar eine Rund um die Uhr Versorgung mit noch weniger Vollkräften möglich, wenn beide Standorte von einem Team bedient werden. Die Turnaround-Zeit im robotischen Labormodus sei dabei außerordentlich gut. Für die Troponin-Bestimmung liege sie bei 53 Minuten, davon 47 für die kompletten Laborprozesse.

Was die Kapazität angeht, erreiche The Box im robotischen Randzeitenmodus bis zu 70 Proben pro Stunde. Im Tagbetrieb mit MTL vor Ort sei die Kapazität deutlich höher, so Hauser: „MTL sind immer schneller als Roboter.“ Deswegen mache der Schichtwechsel am Tag Sinn: „Das System ist eine sehr gute Möglichkeit, mit überschaubaren Kosten eine durchgängige Laborversorgung an Standorten darzustellen, an denen eine Total Lab Automation keine Option ist.“

Trotz neuer Systeme wie „The Box“: Die Robotik im Labor steht erst am Anfang: „Die aktuellen Laborroboter sind versiert im Umgang mit Reagenzien oder Proben. Diese Kenntnisse sind nun auch auf andere Materialien wie Pulver oder Feststoffe auszuweiten“, sagt Thomas Linkenheil, Co-CEO der United Robotics Group. „Gerade Reinräume sind ein spannendes Einsatzfeld für mobile Roboter. Das betrifft auch den Umgang mit Gefahrenstoffen wie kontaminierte Proben oder radioaktive Materialien. Hier hat die Robotik ein enormes Potenzial, einerseits Risiken für das Laborpersonal zu reduzieren, andererseits die Effizienz von Laboren zu steigern.“