Lösung zum Fachkräftemangel für MTA

Wertschätzung als Konzept gegen den Fachkräftemangel im Labor

22.12.2022

Wir hören und lesen viel über den Fachkräftemangel. Auch in den medizinischen Laboren verschärft er sich. Was muss man tun, um MTLAs und anderes Fachpersonal langfristig zu binden? Die IFLb Laboratoriumsmedizin Berlin GmbH in Berlin setzt an den richtigen Stellschrauben an. Es geht um Digitalisierung und Automation, um die Akquise und Motivation von Mitarbeitenden, um die Kooperation mit Schulen und last but not least um die Kinderbetreuung.

Man stelle sich einen Menschen vor, der jede halbe Stunde zum Kühlschrank läuft, um zu kontrollieren, ob das Gerät auch wirklich die Temperatur von sieben Grad Celsius hält. Eine absurde Idee! – „Im Labor ist es gewissermaßen noch so“, sagt Chantal Gitelman, Geschäftsführerin der IFLb Laboratoriumsmedizin Berlin GmbH1. „Wir stehen neben einer Maschine und überwachen deren Funktion.“ Doch nach ihrer Einschätzung hat diese Praxis im Zeitalter der Digitalisierung bald ausgedient. Das ist auch notwendig: denn Labormitarbeiter*innen können sich heutzutage ihren Arbeitgeber aussuchen. Und sie gehen lieber dorthin, wo sie sich als Fachkräfte wertgeschätzt und gefordert sehen – und zwar jenseits vom wenig abwechslungsreichen Maschinenalltag. 

„Wir bieten einen vielschichtigen und spannenden Beruf im Umfeld von Technik und Medizin an“, sagt Gitelman. Wichtig sei es, die Motivation des ausgezeichnet qualifizierten Personals hochzuhalten. Probate Mittel sind spannende und herausfordernde Aufgaben, eine effiziente Arbeitsaufteilung und vor allem die Entlastung der Mitarbeiter*innen von Routinearbeiten.

Im Fachkräftemangel sieht Chantal Gitelman die größte Herausforderung der nächsten Jahre. Viele MTAs und MTLAs gehen bald in Rente und die Rekrutierung von Nachwuchs erweist sich als schwierig. Was man dagegen unternehmen kann? Im IFLb betätigt man mehrere Hebel gleichzeitig; die Verantwortlichen haben ein ganzes Maßnahmenpaket ins Auge gefasst. Dazu gehören mehr Automation, die Einrichtung eines Trainingszentrums, Kooperationen mit MTA-Schulen und mit einem Kitaträger, um Mitarbeitende mit kleinen Kindern zu unterstützen.

Grundlegende Veränderungen im Laboralltag brauchen neben einer wertschätzenden Personalführung ein angepasstes Raumkonzept – mitunter sogar eine komplett neue Umgebung. Ein deutliches Zeichen dafür, dass sich beim IFLb viel bewegt, ist der anstehende Umzug im Jahr 2023: aus einem altehrwürdigen Backsteinhaus in einen hochmodernen Gebäudekomplex auf dem Siemens-Campus. Die unmittelbare Nachbarschaft ist keine Zufallsbegegnung. Seit 2020 pflegen IFLb und Siemens Healthineers eine Forschungs- und Entwicklungspartnerschaft, die nun zum beiderseitigen Nutzen weiter vertieft wird.2
Wer abwechslungsreiche Arbeiten verrichtet, fühlt sich in seinem Beruf wohl und wertgeschätzt. Mit dem Umzug und der Installation einer modernen Atellica-Laborstraße stößt das IFLb in eine neue Dimension der Automation vor. Entlastung gibt es zum Beispiel bald in der Klinischen Chemie, die am alten Standort pro Schicht sechs bis sieben Personen an den Anlagen bindet. So etwas führt – nicht nur in Berlin – zwangsweise in ein Dilemma: Das Labor benötigt Personal für die notwendigen Routinearbeiten, die Mitarbeitenden wollen sich jedoch weiterentwickeln und ihre Fähigkeiten beweisen. Beim IFLb hat das die Verantwortlichen noch einmal in ihrer Überzeugung gestärkt, den Automationsgrad zu erhöhen. „Wir freuen uns darauf, dass uns die Anlagen einiges abnehmen und wir die Mitarbeiter*innen stärker in anderen Bereichen einsetzen können“, sagt Gitelman. Die Leute haben eine mehrjährige Ausbildung absolviert und sich darauf vorbereitet, anspruchsvolle Aufgaben zu übernehmen. „Das dürfen wir nicht vergessen, wenn wir jemanden halten oder neu für unser Team gewinnen wollen.“ 

Am neuen Standort wird das IFLb auch Prototypen von Siemens Healthineers testen. Das bedeutet, dass das Labor mit modernsten Anlagen und Technologien arbeitet. Das kann ebenfalls zur Motivation der Mitarbeitenden beitragen, weil ihr Feedback und damit ihr Fachwissen und ihre Erfahrung gefragt sind. 

Mit seiner State-of-the-Art-Ausstattung wird der neue Standort als Schulungs- und Trainingszentrum immer wieder bestätigen, dass Arbeit im Labor stolz und selbstbewusst macht. Chantal Gitelman erwartet zudem eine Werbewirkung für das IFLb und für den Berufsstand insgesamt. Bewerber*innen und Kunden soll der innovative Charakter des neuen IFLb imponieren. Mit MTA-Schulen strebt sie eine intensivere Zusammenarbeit an, um Auszubildende möglichst früh an die jüngsten Geräte- und Anlagengenerationen heranzuführen.

Was kann man noch tun, um dem Fachkräftemangel etwas entgegenzusetzen? Die IFLb-Geschäftsführerin Chantal Gitelman sucht stets nach weiteren Wegen, um die Belegschaft für ihr Labor zu begeistern. Damit Mitarbeitende mit kleinen Kindern Familie und Beruf unter einen Hut bekommen, verhandelt sie mit Trägern von Kindertagesstätten. Den Vätern und Müttern in ihrem Team möchte sie ein verlässliches und flexibles Betreuungsangebot von 6.00 bis 20.00 Uhr ermöglichen. Es erspart Eltern viel Stress, wenn sie nach Schichtende nicht hektisch zur Kita fahren müssen, weil diese gleich schließt.

Der nächste Schritt, um Laborarbeit noch attraktiver zu gestalten, geht in Richtung Robotik. Für Dr. Jürgen Reiner, Mitglied der IFLb-Geschäftsführung, stellen Roboter in der Labordiagnostik einen Quantensprung dar, der längst fällig ist: „Robotik ist die konsequente Weiterentwicklung der Automation“, sagt er. „Wir sind froh, dass uns unser Partner Siemens Healthineers auf beiden Feldern voranbringt.“

Technik und Digitalisierung sind mittlerweile so weit gereift, dass Roboter komplette Laborprozesse bedienen: Sie nehmen Proben an, identifizieren und öffnen sie, positionieren sie in der Zentrifuge oder gleich im Analyzer und stellen sie zum Abschluss in die Archivständer. Labore mit einem reduzierten Angebot nach Dienstschluss können ihre MTAs nach Hause schicken und die Nachtschicht an einen Roboter delegieren. Die Beschäftigten begrüßen diese Flexibilität, die es ihnen erlaubt, Beruf, Familie und Freizeit besser zu vereinen. Erste Kliniken und Labore haben mit Unterstützung von Siemens Healthineers eine solche Lösung bereits im Einsatz.

Bei Robotik denkt Dr. Reiner über die effiziente Ausführung standardisierter Prozesse hinaus. Denn das Thema bietet noch mehr. „Wenn Roboter das Probenhandling übernehmen, entschärfen wir die Gefahren beim Umgang mit hochinfektiösem Material.“ Das ist kein Nebeneffekt, sondern dient dem Schutz der wichtigsten Laborressource namens Mensch.

In Anbetracht der allgemeinen Entwicklung drängt sich eine Frage auf: Wie weit kann und sollte man Automation und Robotik in einem Labor befördern? Dr. Reiner findet klare Worte: „Wir sollten den Maschineneinsatz so lange vorantreiben, bis kein Mensch mehr an der Anlage steht und eintönige Arbeiten verrichtet.“ Sein Ziel ist es nicht, die Menschen aus dem Labor zu verbannen. Im Gegenteil: Das IFLb kämpft um ihre Fachkräfte und will, dass sie ihre Kernkompetenzen einbringen. Dazu bedarf es Anlagen und Roboter, die den Menschen, wo immer es sinnvoll und möglich ist, die weniger wertschöpfenden Arbeiten buchstäblich aus der Hand nehmen. Im IFLb wie in der gesamten Branche darf man darauf hoffen, dass diese Denkweise eine enorme Wirkung entfaltet.
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