Wegbereiter zu neuen Behandlungspfaden

26.07.2018

Die Nürnberger 310Klinik hat die erste Angio-CT-Zweiraumlösung in Deutschland installiert und verschafft sich damit Platz für innovative Behandlungsoptionen

Fotos: Steffen Kirschner

Macht man sich auf den Weg zur 310Klinik im Nürnberger Nordostpark, dann passiert man ein paar hundert Meter vom Klinikeingang entfernt ein Schild, das den Weg zum „HighTech Center Nürnberg“ weist. In der Gesellschaft von innovationshungrigen Technikdienstleistern, Softwareentwicklern und Materialforschern, die sich konsequent den großen Zukunftsthemen verschrieben haben, hat sich 2002 die 310Klinik angesiedelt und ist heute längst über die Grenzen der Metropolregion Nürnberg hinaus bekannt. Die Verantwortlichen setzen konsequent auf Hightech-Medizin, zeigen im Kliniknamen aber auch, dass für sie das Wohlbefinden ihrer Patienten an oberster Stelle steht: 310 Kelvin entsprechen 37 Grad Celsius – also der gesunden Körpertemperatur.

Die besondere Kombination aus Patientennähe und Hightech hat den interventionellen Radiologen Privatdozent Dr. med. habil. Michael Moche von Anfang an begeistert. Darum ließ er die Strukturen eines renommierten Universitätsklinikums hinter sich und folgte dem Ruf nach Nürnberg. Heute leitet Dr. Moche die interventionsradiologische Abteilung an der 310Klinik. „Ich beschäftige mich gern mit innovativer Technologie“, sagt er über sich. Darum entwickelt er im Rahmen von mehreren EU-geförderten Projekten Seite an Seite mit Ingenieuren Software für interventionelle Verfahren weiter, betont aber auch: „Wir dürfen uns nicht dazu verleiten lassen, nur Bilder zu behandeln, sondern müssen immer den ganzen Patienten im Blick haben.“

310Klinik Nürnberg
310Klinik Nürnberg

CEO Fabian Hubacek ist davon überzeugt, dass bildgesteuerte Interventionen heute und in Zukunft einen bedeutsamen Anteil der minimalinvasiven Behandlungen ausmachen: „Und wir sind sicher, dass immer mehr offene chirurgische Verfahren durch diese Technologie ersetzt werden.“ Jedoch gibt es noch nicht viele Kliniken in Deutschland, in denen interventionelle Radiologen heute eine eigene Station belegen. Patienten, die interventionell behandelt werden, sind häufig auf chirurgischen Stationen untergebracht – ein Wahrnehmungsproblem, dem Dr. Moche mit seinem Konzept als Vorbild beikommen will: „Die interventionelle Radiologie muss vollwertiger klinischer Partner werden für die Kollegen aus den anderen Disziplinen. Dazu müssen wir uns noch mehr spezialisieren. Wir brauchen noch mehr engagierten Nachwuchs! Wir brauchen aber vor allem auch die Chance, interventionsradiologische Stationen zu betreiben und müssen in die Vor- und Nachsorge der Patienten eingebunden werden.“ In Nürnberg hat Michael Moche die Möglichkeit, seine Ideen für die interventionelle Radiologie mit einer eigenen Station zu realisieren. In Rekordzeit hat Dr. Moche seine neue Abteilung aufgebaut: Er nahm sich drei Monate für die Planung plus drei Monate als Bauzeit vom nackten Industriegebäude bis zur ersten Intervention in einer OP-Umgebung, deren Raumluftklasse auch offene Operationen ermöglicht und die zugleich als Zweiraumlösung genutzt wird. Fabian Hubacek: „Die Zusammenarbeit mit Siemens Healthineers hat mich beeindruckt, denn sie war ganz besonders effizient. Es gab kurze Kommunikationswege, wir bekamen größtmögliche technische Unterstützung und konnten auf eine durchgängige Beratung zählen. All das machte es uns möglich, das Projekt in besonders kurzer Zeit umzusetzen.“

Heute kann Dr. Moches Team mit Ausnahme der Neuroradiologie das komplette Spektrum der interventionellen Radiologie abbilden – von der Akutversorgung bis zur interventionellen Onkologie und von der peripheren Revaskularisation bis zur Embolisation gutartiger Erkrankungen in allen Organen. Besonders stolz aber ist Dr. Moche auf einen organisatorischen Aspekt: „Wir sind eine interventionelle Radiologie mit eigenen Betten. Ein selbstständiger klinischer Bereich, der auf die komplette Infrastruktur der 310Klinik mit Chirurgie, Innerer Medizin, Orthopädie, Intensivstation und Intermediate Care zählen kann!“

Angiographie und Computertomographie sind die Arbeitspferde für interventionelle Radiologen. „Wir haben mit unserer Angio-CT-Suite ein besonders innovatives Konzept, das die Stärken beider Systeme vereint“, sagt Michael Moche sichtlich stolz darauf, dass dies die erste Kombination dieser Art in Deutschland ist, die als Zweiraumlösung aufgesetzt wurde. Fabian Hubacek macht die Entscheidung an einer Zahl fest: „In 70 Prozent aller Fälle werden die Systeme bei uns unabhängig voneinander genutzt. So steigern wir die Auslastung und verbessern die Rendite.“ Michael Moche begründet die Entscheidung mit dem klaren Vorteil für seinen Workflow: „Wir ziehen in Notfallsituationen das zweite Gerät hinzu oder führen komplexe Interventionen von Anfang an kombiniert durch. Aber wenn das zweite System nicht benötigt wird, fahren wir es auf Schienen in den Nebenraum. Das verschafft uns mehr Bewegungsfreiheit und sorgt für effizienteres Arbeiten. Dort kann das CT nämlich zur Diagnostik oder für kleinere Interventionen eingesetzt werden.“ Dr. Moche plant, dass etwa acht bis zehn Patienten täglich mit der Anlage diagnostiziert oder minimalinvasiv behandelt werden können. Durchschnittlich je fünf bis acht Angiographien oder zwei komplexe Interventionen mit kombiniert perkutanem und endovaskulärem Zugang sollen im zweiten Raum dazukommen. Eine davon könnte beispielsweise die Behandlung eines Endoleaks sein, denn dafür werden häufig beide Modalitäten benötigt.

Privatdozent Dr. med. habil. Michael Moche - Chefarzt der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, 310Klinik, Nürnberg
Privatdozent Dr. med. habil. Michael Moche - Chefarzt der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, 310Klinik, Nürnberg

Das Endoleak ist die häufigste technische Komplikation bei der endovaskulären Stentgraftversorgung von Aortenaneurysmen (EVAR). „Die sichere und effiziente Behandlung vom Endoleak Typ 2 wird in Zukunft eine große Rolle spielen“, weiß der Radiologe. Schon heute werden Endoleaks überwiegend interventionell behandelt – nur in ganz seltenen Fällen operativ. Typischerweise wird ein Endoleak Typ 2 CT-gesteuert punktiert, um einen Führungsdraht einzubringen. Anschließend wird der Patient aus der CT-Unit in die Angiographie verbracht, um den Eingriff fluoroskopisch weiterzuführen. Dr. Moche will die bekannten Risiken beseitigen: „Beim Umlagern besteht immer die Gefahr, dass der Führungsdraht disloziert. Mit unserem neuen Hybridsystem müssen wir den Patienten nicht von der CT-Unit zur Angio-Suite bringen, sondern können nach dem Punktieren sehr sicher gleich an Ort und Stelle weiterarbeiten.“

Angio-CT-Zweiraumlösung 310Klinik Nürnberg
Angio-CT-Zweiraumlösung 310Klinik Nürnberg

Michael Moche weiß, dass die technische Weiterentwicklung gerade sein Fach in den letzten Jahren revolutioniert hat: „Die Bildgebung hat gewaltige Sprünge gemacht. Wir arbeiten heute mit multimodaler Bildsteuerung und nutzen die Kombination von PET und CT, um die Stoffwechselveränderungen von Tumoren darzustellen. Außerdem können wir Bilddaten fusionieren und dem Behandler interaktiv via Augmented Reality zusätzliche Bildinformationen liefern.

In naher Zukunft werden wir robotische Systeme stärker integrieren – das erhöht die Präzision und verbessert den Strahlenschutz für den Behandler.“ Aber um all diese Möglichkeiten optimal nutzen zu können, muss sich die Ausbildung der Radiologen verändern. „Ich bin überzeugt, dass man in Zukunft noch mehr Ausbildung an leistungsstarken Simulatoren durchführen muss, um die Lernkurve steiler zu gestalten. Außerdem müssen wir Simulationssoftware nutzen, um unsere Methoden zu validieren und Interventionen noch besser zu planen.“

Dr. Moche ist sicher: „Wer Visionen zur Entwicklung der interventionellen Radiologie hat, der wird an einer Angiographie-CT-Kombination nicht vorbeikommen. Wer jedoch von einem System wie dieser Angio-CT-Suite profitieren will, muss auch bereit sein, die innovativen Interventionen durchzuführen, die das System ermöglicht und die Vorteile konsequent ausschöpfen.“
Und diese Vorteile kommen seiner Ansicht nach bei Weitem nicht nur bei komplexen Eingriffen zum Tragen: „Mit dem Angio-CT steigern wir die Behandlungssicherheit, weil wir zusätzliche Bildinformationen einbeziehen, den Workflow optimieren und die Dauer der Interventionen drastisch abkürzen. Und schließlich können wir die Risiken, die bei einer Umlagerung entstehen, komplett ausschließen.“