Am 1.10.2020 haben die Klinikum Lippe GmbH und Siemens Healthineers einen über zehn Jahre laufenden Partnerschaftsvertrag mit einem Gesamtvolumen von 30 Millionen € geschlossen, der neben dem schrittweisen Austausch von etwa 147 bildgebenden Systemen auch umfangreiche Service- und Beratungsleistungen umfasst. In diesem Interview spricht Dr. Johannes Hütte, der Geschäftsführer der Klinikum Lippe GmbH, über diese wichtige Weichenstellung für die Zukunft des Klinikums, das schon seit 2019 Teil des neu geschaffenen Universitätsklinikums OWL ist.
Herr Dr. Hütte, was war der Anlass für die Industriepartnerschaft mit Siemens Healthineers und welche Ziele verfolgen Sie mit dem Vertrag?
Dr. Johannes Hütte: Die Ursprünge liegen über zwei Jahre zurück. Damals haben wir uns die Frage gestellt, wie wir uns zukunftsfähig aufstellen möchten – und zwar in puncto Hardware, Software und bei den Prozessen. Und da ist bei uns die Idee der Industriepartnerschaft entstanden, auch weil wir wissen wollten, wie die Industrie so ein Thema angeht. Der Gesamtprozess hat ganz konkret von der ersten Ausschreibung bis zum Zuschlag rund zwölf Monate gedauert, mit den entsprechenden Ausschreibungen und Wettbewerbsverfahren.
Wie würden Sie Ihren persönlichen Beitrag am Zustandekommen des Vertrags beschreiben?
Dr. Hütte: Das müssen letztlich andere beurteilen. Als neuer Besen, und das war ich ja am Anfang des Projekts, tut man sich immer leichter, gewachsene Strukturen aufzubrechen. Und das muss man tun, weil wir uns wie viele Häuser in einer Wettbewerbssituation befinden. Das war wohl meine Rolle, aber ich fand das Projekt von Anfang an sehr spannend, weil ich von der Prozessseite komme und wissen wollte, was die verschiedenen Partner anbieten – gerade auch im Hinblick auf das Prozess-Know-how.
Aus welchen Gründen haben Sie sich für Siemens Healthineers entschieden?
Dr. Hütte: Objektiv gesehen waren es die Qualität und der Preis. Für uns war aber auch ausschlaggebend, dass Siemens Healthineers vom Mindset her zu uns passt. Dass es nicht nur darum geht, MRTs, CTs oder Ultraschallsysteme zu liefern, sondern Prozessbausteine bereitzustellen. Also etwa: Wie organisiere ich eine Radiologie? Welche Taktung habe ich? Wie integriere ich das in die Software? Wie reduziere ich Wartezeiten und nutze meine Ressourcen optimal, etwa über Sharing-Modelle? Das ist für mich der Mehrwert einer Industriepartnerschaft. Obwohl die anderen Anbieter auch exzellente Angebote abgegeben haben, war es aus meiner Sicht eine knappe, aber klare Entscheidung.
„Für uns war aber auch ausschlaggebend, dass Siemens Healthineers vom Mindset her zu uns passt. Dass es nicht nur darum geht, MRTs, CTs oder Ultraschallsysteme zu liefern, sondern Prozessbausteine bereitzustellen.”
Welchen Stellenwert hat der Vertrag im Hinblick auf die Zukunft Ihres Hauses als Teil des Universitätsklinikums OWL?
Dr. Hütte: Neben unserer wichtigen Rolle als Versorgungskrankenhaus für die Region war das für uns natürlich von entscheidender Bedeutung. In Zukunft werden wir in der Bildgebung top ausgestattet sein – und das in puncto Regelbetrieb und Forschung. Aber natürlich wird es auch so sein, dass wir in enger Abstimmung mit der Universität Bielefeld auch noch Details nachjustieren können, etwa wenn bestimmte Spezialsysteme gewünscht werden. Da gibt uns der Vertrag genügend Spielraum, wobei wir natürlich auch erwarten, dass sich die Universität an den Kosten für Systeme beteiligen wird, die primär der Forschung dienen.
Bei welchen Modalitäten sehen Sie die größten Verbesserungen?
Dr. Hütte: Ganz klar bei der klassischen Schnittbildgebung und den invasiven Verfahren. Insbesondere die neuen Großgeräte und die innovativen Applikationen werden uns bei der Bildqualität weit voranbringen. Bei der invasiven Bildgebung sehe ich die neuen Linksherzkatheter-Messplätze und die Systeme in der Neuroradiologie als echte Highlights. Aber wie gesagt: Entscheidend sind nicht nur die Systeme, sondern auch deren Einbindung in unsere Prozesse – und da sehe ich uns durch die Tatsache, dass wir fortan eine Onsite-Managerin von Siemens Healthineers im Haus haben, sehr gut aufgestellt.
Welche Bestandteile des Vertrags wirken sich denn besonders auf die Optimierung der klinischen Prozesse aus?
Dr. Hütte: Zum einen sind das natürlich die Beratungspakete, die wir gekauft haben. Da geht es um die Optimierung der Gerätenutzung, etwa beim Ultraschall aber auch um die Planung von Abteilungen. Von der weltweiten Erfahrung der Consulting-Experten von Siemens Healthineers versprechen wir uns wertvolle Impulse zur Anordnung von Räumen, zur Datenanbindung und zur Organisation von Patientenflüssen. Zum anderen ist das umfangreiche Schulungskonzept des Vertrags ein entscheidender Hebel. Bildlich gesprochen: Was nutzt uns der Tiger im Tank, wenn der Mensch am Steuer das nicht bedienen kann? Deswegen legen wir großen Wert auf kontinuierliche Schulung – auch auf der Basis der konkreten Systemnutzung, die wir ja kontinuierlich erfassen.
Zeitgleich hat das Klinikum Lippe auch eine MTRA-Schule eröffnet. Warum?
Dr. Hütte: Weil uns das Thema Personal unter den Nägeln brennt und wir deshalb langfristig agieren. Wir haben ja seit langem am Standort Lemgo eine MTLA-Schule und ich gehe davon aus, dass wir in Zukunft neue Berufsbilder sehen werden, die sich in dem intermediären Platz zwischen Pflege, Technik und Medizin bewegen. Deswegen arbeiten wir zum einen mit der TH Ostwestfalen-Lippe am Aufbau entsprechender Bachelor- und Masterstudiengänge. Zum anderen wollen wir MTRAs an unseren eigenen Geräten selbst ausbilden. Diese Fachkräfte sind extrem gesucht. Deshalb bin ich froh, sagen zu können, dass die zwölf Ausbildungsplätze, die wir haben, binnen kürzester Zeit vergeben waren.
Wo sehen Sie das Klinikum Lippe in zehn Jahren?
Dr. Hütte: Ich denke, das Klinikum werden Sie 2030 nicht mehr wiedererkennen. Baulich wird sich einiges verändern, schon allein durch unsere Neubauten am Standort Detmold. Von den Prozessen habe ich schon gesprochen und bei den Technologien sehe ich die größten Potenziale bei der Fusion von Bild-, Labor- und Behandlungsdaten, damit wir die Diagnostik verbessern und Therapieentscheidungen besser begleiten können. Ich glaube, dass dieser Trend der Partnerschaft einen richtigen Schub gibt. Außerdem denke ich, dass durch die universitäre Ausrichtung noch einmal ein deutlicher Schritt in Richtung Deep Learning und KI hinzukommt – und da ist natürlich unser Technologiepartner von ganz entscheidender Bedeutung.