In vielen Kliniken ist die Radiologie ein reiner Dienstleister, der nur diagnostische Informationen bereitstellt, während die Therapie von anderen Abteilungen übernommen wird. Am Klinikum Stuttgart geht man einen anderen Weg. Hier sind Diagnose und interventionelle Therapie in der radiologischen Abteilung zusammengefasst, die auch über eigenständig geführte Betten verfügt. Dieses Modell hat sich bewährt - sowohl wirtschaftlich als auch in puncto Patientenzufriedenheit.
Prof. Dr. Götz Martin Richter, der Ärztliche Direktor der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Klinikum Stuttgart, ist mit den Bedingungen an seinem Haus sehr zufrieden. „Hier habe ich die Verantwortung, die ich immer gesucht habe,“ freut er sich. Zuvor hatte er mehrere Jahre an einem Krankenhaus gearbeitet, an dem die zeitaufwändige und ineffiziente Abstimmung zwischen den verschiedenen Abteilungen ein stetiges Ärgernis war. „Wann immer ich handeln wollte, musste ich erst mühsam die Zustimmung anderer Abteilungen einholen, was, wann und wiegetan werden soll,.“ Jetzt ist Richter für eine ganze Reihe von Prozeduren selbst verantwortlich -und zwar vom ersten Patientengespräch über die Einweisung in die Klinik bis zur Entlassung und Nachbehandlung.
Optimiertes Zusammenspiel der Abteilungen
In der Radiologie des Klinikums Stuttgart wird neben der reinen Diagnostik auch eine Vielzahl von interventionellen Therapien durchgeführt. Dabei wird durch die intensive interdisziplinäre Zusammenarbeit sichergestellt, dass Patienten eine konventionelle Behandlung erhalten, wenn sie eine onkologische oder chirurgische Versorgung benötigen. Umgekehrt kümmert sich Richters Team in vollem Umfang um diejenigen Patienten, die rein interventionell in der Radiologie behandelt werden können.
Das Spektrum der durchgeführten Therapien reicht von der onkologischen Tumorbehandlung (TACE, SIRT, thermische Ablation) über vaskuläre Interventionen (EVAR, Lyse, Stents, spezielle Verfahren zur Rekanalisierung) bis zur Behandlung von arteriovenösen Malformationen und gutartigen Tumorenwie etwa von Uterusmyomen. Richter gilt weltweit als Experte für minimalinvasive Verfahren. So führte er als erster einen transjugulären intrahepatischen portosystemischen Stent-Shunt (TIPSS) am Menschen durch und nutzte als einer der ersten Ärzte in Europa die endovaskuläre Aneurysmatherapie (EVAR) als minimalinvasive Alternative zur offen chirurgischen Aortenreparatur. Außerdem ist Richter einer der Pioniere auf dem Gebiet der interventionellen Tumorbehandlung, wie etwa der Therapie von hepatocellulären Karzinomen oder der Uterusmyomembolisation.
Eigenständiges Bettenmanagement
Die Therapieerfolge der Stuttgarter Radiologie beruhen auf einem innovativen Konzept des Bettenmanagements. „Wir sind eine der wenigen Radiologien in Deutschland, die über eigene Betten verfügen,“ führt Richter aus. Momentan hat seine Abteilung neun Betten. „Als ich nach Stuttgart kam, waren es nur drei,“ erinnert sich Richter und kann darauf verweisen, dass hierdurch die Verweildauer der Patienten deutlich reduziert wurde. Nach Berechnungen von Anne Bickelmann, der ökonomischen Leiterin des Zentrums für Radiologie am Klinikum Stuttgart, hielten sich die Patienten hier durchschnittlich einen Tag kürzer auf als in Einrichtungen ohne eigene Betten, wo die Entlassung von Patienten immer zuerst mit den Verantwortlichen einer bettenführenden Station abgeklärt werden muss. „Außerdem werden in anderen Krankenhäusern die Patienten meist schon am Tag vor dem Eingriff eingewiesen,“ erklärt Bickelmann. In Stuttgart verbringen die Patienten die Nacht vor der Intervention üblicherweise zu Hause und werden erst am Tag des Eingriffs eingewiesen. Danach verbleibt der Patient nach Bedarf einen oder mehrere Tage auf Station und wird dann zum frühestmöglichen Zeitpunkt entlassen. „So haben wir unsere Betten frei für Patienten, die sie wirklich benötigen,“ betont Bickelmann.
Hohe Patientenzufriedenheit
Der Erfolg des Stuttgarter Modells lässt sich zudem an einer sehr hohen Patientenzufriedenheit ablesen: „Über 90 % der Patienten sind mit unserer Arbeit zufrieden und würden uns weiterempfehlen,“ so Richter. Bei einer Befragung von Patientinnen, die eine Myomembolisation erhalten hatten, waren sogar annähernd 96 % mit der Behandlung in Stuttgart zufrieden. Zum Vergleich: Die durchschnittliche Zufriedenheit mit einer UFE-Behandlung liegt deutschlandweit bei 83 %. Ein weiterer Grund für die besonders gute Bewertung der Stuttgarter Radiologie, dürfte sein, dass sich hier derselbe Arzt vor, während und nach der Intervention um die Patienten kümmert.
Niedrige Kosten, High-end-Bildgebung
Last but not least rechnet sich durch die verbesserte Kosteneffizienz das Konzept einer Radiologie mit eigenständig geführten Betten auch wirtschaftlich, hebt Richter hervor.„Momentan liegen die Kosten bei unseren eigenen interventionellen Patienten 30 % unter dem Durchschnitt der deutschen Radiologien.“ Entscheidend hierfür seien unter anderem ein möglichst effizienter Einsatz der Mitarbeiter und die genaue Kontrolle der Infrastrukturkosten. Durch die so erzielte Kosteneinsparung konnte Richter in hochmoderne Angiographiesysteme investieren – etwa in die Anschaffung eines Artis zeego mit der einzigartigen Multiachsen-Robotertechnologie von Siemens Healthineers – und gleichzeitig eine Gewinnspanne von 6 % erreichen.
Eigene DRG-Klassifizierung und Abrechnung
Die Erfahrungen der Stuttgarter Radiologie zeigen, so Richter, „dass die Prozessoptimierung eine einfachere Kostenkontrolle ermöglicht und zugleich die Behandlungsergebnisse verbessert". Richter: "Je mehr die Klassifizierung und Abrechnung aus einer Hand kommt, desto besser.“ Ein Mitglied aus Richters Team kümmert sich beispielsweise speziell um die richtige DRG-Klassifizierung der vorgenommenen Eingriffe, um eine korrekte Abrechnung und Vergütung sicherzustellen.
Anne Bickelmann weist allerdings darauf hin, dass gerade die rapide gestiegenen Kosten für Medizintechnik und Materialien in der Interventionellen Radiologie „im DRG-System oft nur unzureichend abgebildet werden“. Weil man in Stuttgart die Klassifizierung und Abrechnung der DRG-Fälle selbst vornehmen kann und zugleich die Kosten genau im Blick behält, kann das Klinikum seinen Patienten trotzdem die Vorteile einer hochmodernen Bildgebung bieten.
Verbesserter Case Mix
Ein weiterer Gradmesser für den Erfolg der interventionellen Radiologie in Stuttgart ist der sogenannte Case Mix Index (CMI), der als Vergleichswert mit anderen Kliniken in Deutschland errechnet wird. Innerhalb von vier Jahren konnte das Klinikum Stuttgart den CMI für seine radiologische Prozeduren um 50 % auf 1,5 steigern. Als Gründe für diese deutliche Steigerung nennt Bickelmann die verbesserte Rendite der Stuttgarter Radiologie und die neu eingeführten Therapieverfahren, insbesondere die komplexen Interventionen wie die Behandlung von Lebertumoren mit TACE, SIRT und RFA sowie die Embolisation von Uterusmyomen.
Kurz gesagt: In Stuttgart bildet ein effizientes Patienten- und Kostenmanagement die Grundlage, um auch bei komplexen Fällen äußerst wirtschaftlich zu arbeiten. In Zeiten sich ständig wandelnder Vergütungsmodelle könnte das Stuttgarter Modell einer Radiologie mit eigenständig geführten Betten durchaus Schule machen. Richter jedenfalls blickt der Zukunft seiner Abteilung sehr optimistisch entgegen: „Wir wären in der Lage, noch weiter zu expandieren, und bräuchten eigentlich zusätzliche Betten.“