Kleinere Labore müssen sich bei wachsendem Wettbewerbsdruck gegen immer größere Anbieter behaupten. Dem MVZ Poing bei München gelingt das seit 1989 vortrefflich. Mit einem Gesamtsystem von Siemens Healthineers aus Atellica Solution für die Analyse und Aptio für die Automation haben Geschäftsführer Petra Borelli und Martin Baierl die Weichen für die nächsten Jahre gestellt.
Im März besuchte Michael Reitermann das MVZ Poing. „Das Gesundheitswesen erlebt einen starken Trend zur Industrialisierung“, sagte das Vorstandsmitglied von Siemens Healthineers nach seinem Rundgang mit Petra Borelli und Martin Baierl. „Das MVZ Poing setzt im Laborwesen ein Benchmark in Sachen Produktivität.“
“Der niedergelassene Arzt will am Nachmittag den größten Teil aller Befunde sehen“, sagt die geschäftsführende Gesellschafterin Petra Borelli. Damit ist die Frage nach dem Warum für eine Laborautomation hinreichend beantwortet: Schnelligkeit und Kundennähe sind ebenso wie Analysequalität die entscheidenden Faktoren. Für die MVZ Ärztliche Laboratorien München-Land GmbH in Poing bedeutet das: drei- bis viertausend Proben gilt es jeden Tag ebenso verlässlich wie schnell zu analysieren.
Spagat zwischen Anforderungen und Kostendruck
Jeden Morgen schwärmt der Transportdienst mit eigenen Fahrzeugen aus und holt im Umkreis von 130 Kilometern die Röhrchen bei den niedergelassenen Ärzten ab. In der näheren Umgebung gehören zwei tägliche Besuche des Fahrdienstes mittlerweile zum Standard. Die Praxen gehen mit flexiblen Sprechstunden auf die Wünsche der Patienten ein, das Labor unterstützt die Diagnostik. So läuft das Geschäft, das dem MVZ Poing einen Spagat abverlangt: auf der einen Seite steigende Ansprüche an Qualität und Service, auf der anderen Seite wachsender Kostendruck, weil zum Beispiel die Preise für Personal und Miete in die Höhe schnellen. „Das alles fordert uns als kleineren Anbieter besonders heraus, weil wir mit dem Angebot der Großen mithalten müssen“, sagt Geschäftsführer Martin Baierl.
Zusätzlich erschwert ein leergefegter Arbeitsmarkt die Suche nach qualifizierten Mitarbeitern. Da hilft es, wenn die Prozessautomation dem Personal zeitraubende Routinepflichten wie das Einsortieren der Proben in Racks abnimmt. „Bei der Automation geht es uns nicht darum, Personal einzusparen“, sagt Borelli. „Sondern darum, es sinnvoll einzusetzen.“
Konsequente Prozessautomation
Bereits 2008 hat das MVZ Poing eine Automation von Siemens Healthineers eingeführt. Als die Entscheidung für die neue Analysegeneration Atellica Solution fiel, wollten die Verantwortlichen, dass sich das Labor bei den Prozessen ebenfalls weiterentwickelt. Die Aptio Automation von Siemens Healthineers integriert nun auch die Zentrifugation und Aliquotierung. Das Archiv wurde ebenfalls angebunden. Alle Proben gelangen nach der Analyse in einen der zwei Kühlschränke und werden ohne Eingreifen eines Mitarbeiters wieder ausgelagert, wenn der einsendende Arzt weitere Werte benötigt.
Die Investition in diese Extras war ein mutiger Schritt nach vorne. Kleine Labore verzichten oft auf die konsequente Prozessautomation. In Poing hingegen setzt man gerade auf diesen zusätzlichen Effizienzgewinn. Oder um es mit den Worten von Martin Baierl zu sagen: „Wenn Automation, dann richtig.“
Langjährige Partnerschaft mit Siemens Healthineers
Und warum Automation und Analyse gerade von Siemens Healthineers? Die Antwort gibt die Inhaberin: „Wir haben in der Vergangenheit gute Erfahrungen mit Siemens Healthineers gemacht und uns nach einer eingehenden Marktanalyse wieder für unseren bisherigen Partner entschieden.“ Die Zusammenarbeit zwischen ihrem Labor und Siemens Healthineers sei gut eingespielt. „Laborarbeit ist Teamwork“, erklärt Borelli. Die geschäftsführende Gesellschafterin des MVZ Poing ist davon überzeugt, dass trotz der zunehmenden Automation im Labor das Miteinander von Menschen eher an Bedeutung gewinnt.
Als Atellica Solution mit Aptio Automation installiert wurde, zeigte sich der Wert dieser engen Kooperation: Die Umstellung auf die neue Analysegeneration erfolgte, während ihr Vorgänger im gleichen Raum noch lief. Eine längere Ausfallzeit war weder vorgesehen noch erforderlich. Nur ein einziger Tag Stillstand ließ sich nicht vermeiden. Ansonsten erlebten die Kunden des Labors „business as usual“ – auch in der Zeit, als die Handwerker Wände einrissen und die Techniker rund um die Uhr zu tun hatten.
Installation in bewährter Qualität“
Bei der Entscheidung für Siemens Healthineers spielten die Verlässlichkeit und das persönliche Engagement des Partners eine wichtige Rolle. „Sollte eine Störung zum Ausfall der Anlage führen, können wir kaum manuell eingreifen“, sagt Petra Borelli. Man gibt buchstäblich ein Stück Eigenständigkeit aus der Hand. „Umso wichtiger ist es, dass wir uns auf die externen Berater und Techniker verlassen können.“ Und das kann man beim MVZ. In der Implementierungsphase hatten die Siemens Healthineers- Mitarbeiter Tag und Nacht Zugang zum Labor. „Wir haben darauf vertraut, dass die uns bekannten Personen die Installation in bewährter Qualität vorantreiben“, blickt MVZ-Geschäftsführer Martin Baierl zurück. Solche Projekte schweißen zusammen. Hat es schwierige Phasen gegeben? „Natürlich“, sagt Baierl: „Bei einer Installation mit solchen Dimensionen gehört das dazu. Aber ein gut funktionierendes Team lässt sich davon nicht aus den Angeln heben.“
Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Und es macht alle Beteiligten ein bisschen stolz. „Es war ein großartiges Gefühl, als die erste Probe vollautomatisch ins Kühlarchiv fuhr“, erinnert sich Baierl an den 22. Januar 2018. Dieser Tag markierte eine Zäsur in der Zeitrechnung des Labors: der Übergang von „vor Atellica“ zu „mit Atellica“, der Übergang von einer hohen Automationsstufe zur nahezu vollständigen Automation.
Bis zu 10.000 Analysen pro Stunde
Von der jetzigen Schnelligkeit des Labors – bis zu 10.000 Analysen in der Stunde – profitieren alle Kunden. Einige sind gemeinsam mit dem MVZ schon den nächsten Schritt der Prozessoptimierung gegangen. Stichwort Digitalisierung: rund 25 Prozent der niedergelassenen Ärzte versenden Anforderungen und Patientendaten online. „Analog“ sind nur noch die Proben selbst und ihr Transport. Weil das Labor nichts mehr manuell erfasst, hat der Prozess einige seiner potenziellen Fehlerquellen verloren.
Deutlich mehr Praxen als die besagten 25 Prozent rufen ihre Ergebnisse über die Datenautobahn ab und bestellen ergänzende Analysen online. Für Borelli dürften sich gerne noch mehr dem digitalen Prozess anschließen. Der Außendienst des Labors rührt dafür kräftig die Werbetrommel. Wer als Kunde in den elektronischen Datenaustausch einsteigt, erhält eine umfassende Beratung und Einführung.
Offen für Fremdsysteme
Aktuell führt Atellica Solution für das Labor rund 70 verschiedene Analysen durch. Mehr als 90 Prozent aller ärztlichen Anforderungen lassen sich damit erfüllen. Und was ist mit den anderen Analyseverfahren? „Unsere Automation erlaubt, dass wir Fremdsysteme anbinden. Damit hebt sie sich von Wettbewerbsprodukten ab, die ausschließlich eigene Systeme integrieren“, erläutert Siemens-Healthineers-Mitarbeiter Dr. Matthias Pfeiffer. So hat das MVZ Poing bereits zwei Module für Infektionstests angebunden, die nicht zum Atellica-Portfolio gehören.
Gut gerüstet
Mit seiner neuen Ausstattung hat sich das MVZ Poing im harten Laborgeschäft gut positioniert. Petra Borelli und Martin Baierl erwarten nicht, dass Wettbewerbs- und Kostendruck in den kommenden Jahren nachlassen. Das Gegenteil dürfte eher der Fall sein. Umso wichtiger war und ist es den Geschäftsführern, dass sie optimale Bedingungen für die nächsten erfolgreichen Jahre geschaffen haben: mit einer weitsichtigen Strategie, mit erstklassigen Anlagen und dem richtigen Partner an ihrer Seite.
So läuft der Prozess
Die Arztpraxis versieht die Proben mit einem Barcode, der Transportdienst bringt sie ins MVZ. Ohne Vorsortierung schüttet eine MTA bis zu 700 Röhrchen gleichzeitig in den Aufnahmeschacht. Ein Transportband befördert sie durch das Labor. Von der automatische Zentrifuge und anschließenden Öffnung geht es zum Sample Handler und dann weiter zum klinisch-chemischen System oder zur Immunologie-Einheit. Die Tour endet im Kühlarchiv mit einer Gesamtkapazität von 30.000 Röhrchen.