Digitalisierung des Schweizer Gesundheitswesens

15.05.2019

Bei der Einführung des Elektronischen Patientendossiers (EPD) in der Eidgenossenschaft übernimmt die Schweizerische Post AG eine wichtige Rolle als digitale Infrastruktur- und Dienstleistungsanbieterin. Dabei stützt sich das Unternehmen auf die eHealth-Lösungen der Siemens-Healthineers-Tochter ITH icoserve. inside:health sprach mit Martin Fuchs, dem Leiter Digital Health bei der Schweizerischen Post, über die Entwicklung in der Schweiz und die Kooperation mit Siemens Healthineers.

Das Elektronische Patientendossier im Überblick

Im April 2017 wurde in der Schweiz gesetzlich festgelegt, dass bis 2020 eine landesweite elektronische Gesundheitsakte einzuführen ist, um die Qualität der medizinischen Behandlung zu stärken, die Behandlungsprozesse zu verbessern und die Patientensicherheit zu erhöhen. Es geht darum, die die Effizienz des Gesundheitssystems zu steigern und die Gesundheitskompetenz von Patientinnen und Patienten zu fördern. Beim Elektronischen Patientendossier (EPD) entscheidet der Patient, wer auf seine Daten zugreifen darf. Es gilt das Prinzip der doppelten Freiwilligkeit, was bedeutet, dass den Patienten die Nutzung des EPD ebenso freigestellt ist wie den niedergelassenen Ärzten und Apothekern. Verpflichtend ist die Teilnahme ab 2020 für Spitäler sowie für Rehakliniken und Psychiatrien, die auf der kantonalen Spitalliste stehen. Ab 2022 gilt die Regelung auch für Alters- und Pflegeheime. Damit sich Patienten in der gesamten Schweiz bewegen und Leistungserbringern überall Zugang zu ihrer Gesundheitsakte gewähren können, wurden landesweit von den Kantonen und Spitälern getragene „Stammgemeinschaften“ gebildet, die Daten dezentral speichern und den Informationsaustausch auf Basis von IHE-Profilen organisieren.

Herr Fuchs, welche Leistungen bietet die Schweizerische Post im Zusammenhang mit der Einführung des EPD?

Martin Fuchs: Wir stehen für einen sicheren und vertraulichen Transport von Gesundheitsinformationen zwischen allen Akteuren im Gesundheitswesen und das in der gesamten Schweiz. Den Stammgemeinschaften, die das EPD anbieten, stellen wir die nötige Infrastruktur auf Basis des gesetzlich geforderten IHE-Standards zur Verfügung. Zudem bieten wir Prozessunterstützung sowie spezielle eHealth-Services, um das EPD wirkungsvoll umzusetzen.

Martin Fuchs, Leiter Digital Health bei der Schweizerischen Post
Martin Fuchs, Leiter Digital Health bei der Schweizerischen Post

Warum hat die Schweizerische Post Siemens Healthineers als Technologiepartner für diese Aufgabe gewählt?

Fuchs: Entscheidend bei der Wahl des Technologiepartners war für uns, dass Siemens Healthineers international bereits mehrere eHealth-Projekte erfolgreich realisiert hat. Hinzu kamen der Reifegrad der Software und die klare strategische Ausrichtung auf eine standardbasierte Plattform. Da wir bis April 2020 ein laufendes und zertifiziertes System anbieten, war es sehr günstig, dass wir auf den Erfahrungen aufbauen konnten, die Siemens Healthineers bereits mit der ähnlich konzipierten elektronischen Gesundheitsakte ELGA in Österreich gemacht hat.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit Siemens Healthineers?

Fuchs: Wir sind von Beginn an gemeinsam bei unseren Kunden, den Gemeinschaften, aufgetreten. In puncto Zuverlässigkeit und Umgang mit sensiblen Informationen genießt die Post in der Schweiz hohes Vertrauen. An Siemens Healthineers schätzen unsere Kunden die langjährige Umsetzungserfahrung, die Lösungsorientierung und das Wissen um die spezifischen Standards, die umgesetzt werden müssen.

Wie finanziert man in der Schweiz die Einführung des EPD?

Fuchs: Die Finanzierung ist je nach Stammgemeinschaft sehr unterschiedlich. In manchen Fällen zahlt der Kanton das aus Steuergeldern, in anderen Fällen wird es über Mitgliedsbeiträge finanziert, die sich später amortisieren sollen. Für die Aufbauphase erhalten die Gemeinschaften zudem Subventionen des Bundes und der Kantone. Der große Nutzen des EPD liegt darin, dass Patienten und Fachpersonen einfachen Zugang zu Gesundheitsinformationen erhalten und diese unkompliziert austauschen können.

Was sind die nächsten Schritte bis zur Einführung?

Fuchs: Es gibt noch einiges zu tun. Ein wichtiger Meilenstein ist die technische Zertifizierung und auch einige Detailfragen sind noch offen, etwa wie der Eintritt der Patienten in die von ihnen gewählte Gemeinschaft erfolgen soll. Wir werden aber mit unserer von Siemens Healthineers unterstützten Plattform den Gemeinschaften bis Ende 2019 eine zertifizierbare Lösung für das EPD sowie zahlreiche Mehrwertdienste anbieten.

Neben der Machbarkeit einer technischen Interoperabilität auf Basis der IHE-Standards, welche Erkenntnisse aus dem bisherigen Prozess finden Sie für die deutsche Situation noch interessant?

Fuchs: Der wohl wichtigste Unterschied besteht darin, dass die Schweiz nach einem Topdown-Ansatz vorgeht. Es besteht eine gesetzliche Pflicht für die Leistungserbringer, beim EPD mitzumachen. Zudem existieren ein klarer Zeitplan sowie Sanktionen, wenn die Ziele nicht erreicht werden.

Herr Fuchs, vielen Dank für das Gespräch.