Digitalisierung mit MehrwertVernetzung durch eine offene und standardbasierte Plattform

24.05.2022

Die Pandemie hat mehr als deutlich gemacht, dass das deutsche Gesundheitswesen bei der Digitalisierung starken Nachholbedarf hat. Eine der Konsequenzen, die die Politik daraus gezogen hat, war das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG), ein bisher beispielloses Förderprogramm, das unter anderem Patientenportale, Pflegedigitalisierung und IT-Sicherheit adressiert. Trotz KHZG-Förderung bleibt die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens aber immer noch Stückwerk, wie Karsten Knöppler, Mitgründer des Berliner Beratungsunternehmens _fbeta, betont: „Wenn Kliniken Softwarelizenzen kaufen und die Software dann installieren, ist das noch keine echte Digitalisierung.“

Was Knöppler fehlt bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens, ist eine konsequentere Zentrierung auf die Nutzer*innen. Erreichbar sei das durch einen Paradigmenwechsel in Richtung standardisierter, digitaler Plattformen. Über solche Plattformen können attraktive, integrierte Leistungen angeboten werden, die nicht nur analoge Prozesse abbilden, sondern Zusatznutzen bringen, und zwar für alle Beteiligten, sei es auf Seite der Patient*innen, sei es auf Seite der Professionals.

Siemens Healthineers hat mit seiner teamplay digital health platform connect eine Healthcare-Plattform im Angebot, die genau das leisten kann. Sie nutzt die gleiche Technologie wie die österreichische elektronische Gesundheitsakte ELGA und das elektronische Patientendossier (EPD) in der Schweiz und ist die Basis der Healthcare-Plattform „Cuore – die Schweizer Gesundheitsplattform“ der Schweizerischen Post. Es handelt sich um eine offene Plattform, die streng auf internationalen Standards basiert und unterschiedlichste Arten von Diensten anbinden kann. „Dahinter steht das Versprechen, das Menschen im Gesundheitswesen Daten austauschen können, egal woher diese Daten kommen. Deswegen stehen Offenheit und Standardkonformität im Zentrum“, betont Dr. Samrend Saboor, Head of Connected Care bei Siemens Healthineers und Vendor Co-Chair in der Standardisierungsorganisation IHE Deutschland.

Die Plattform von Siemens Healthineers ist nicht als Konkurrenz zu existierenden Vernetzungsinitiativen wie etwa der vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) und der Selbstverwaltung vorangetriebenen Telematikinfrastruktur mit ihrer elektronischen Patientenakte und ihren Kommunikationsdiensten KIM oder TIM konzipiert. Sie ist vielmehr ein zusätzliches Angebot, das einen starken Fokus auf die Vernetzung der Leistungserbringer und standardisiert angebundene Mehrwertdienste legt, vor allem für die professionelle Kommunikation zwischen medizinischen Einrichtungen.

Die eng regulierten, staatsnahen Infrastrukturen werden an die Plattform ebenfalls angebunden und damit zugänglich. So entsteht ein interaktives Ökosystem, das einerseits als Datendrehscheibe fungiert, andererseits Andockpunkte für innovative externe Diensteanbieter bietet. Dass das politisch genau so gewollt ist, bestätigt Thomas Renner, Leiter der Unterabteilung Digitalisierung und Innovation im BMG: „Wenn es gelingt, die Brücke zu bauen, können sich solche Plattformen auf der einen und die Telematikinfrastruktur auf der anderen Seite gut ergänzen.“

Wie so ein Nebeneinander von staatlich organisierter Infrastruktur und einer Plattform für digitale Services und Mehrwertdienste konkret aussehen kann, illustriert die Schweizerische Post mit ihrer auf Basis von teamplay digital health platform connect aufgebauten Gesundheitsplattform Cuore. Der Kern sind zentrale Basisdienste, die wir dem Gesundheitswesen zur Verfügung stellen, zum Beispiel im Bereich Identity & Access Management“, erläutert Matthias Glück, Leiter Geschäftsentwicklung und Steuerung Digital Health bei der Schweizerischen Post.

In Ergänzung zu den zentralen Basisdiensten werden diverse digitale Kollaborations- und Patientenservices angeboten, die Plattformnutzende – Health Professionals wie Patient*innen – in Anspruch nehmen können. „Wir agieren bei diesen Services als neutraler, vertrauenswürdiger Plattformprovider“, betont Glück. „Cuore ist eine sichere und offene Plattform, die davon lebt, dass sich möglichst viele Akteure anschließen und eigene Leistungen und Services anbieten. Im Fokus stehen Angebote, welche die tägliche Arbeit zwischen den Menschen im Gesundheitswesen vereinfachen.“ Um diese Services zu nutzen, können alle gängigen IT-Systeme über den Konnektorbaustein der Plattform angebunden werden.

Dr. Anke Diehl, Chief Transformation Officer der Universitätsmedizin Essen, hält ein solches offenes Plattformmodell auch für das deutsche Gesundheitswesen für attraktiv: „Die digitale Transformation kann nur gelingen, wenn wir uns ein Stückweit von tradierten Vorgehensweisen lösen. Plattformen werden dann gelebt werden, wenn auch die Leistungserbringer etwas davon haben und wenn es uns gelingt, interoperable und nutzbare Prozesse zu schaffen.“

Auch Knöppler ist überzeugt, dass das deutsche Gesundheitswesen von Plattformmodellen profitieren wird: „Wir sind in einem teilregulierten Markt und die Marktteilnehmenden können die Regeln mitgestalten, unter denen Plattformen agieren“, so Knöppler. Weniger klar ist bisher, wie unter den Bedingungen des deutschen Gesundheitswesens und des Leistungsrechts funktionierende Geschäftsmodelle aussehen könnten, die es sowohl Plattformen als auch Mehrwertdiensten erlauben zu entstehen und zu wachsen.

Hier setzt eine Studie an, die _fbeta in den nächsten Monaten in Zusammenarbeit mit Flying Health im Auftrag von Siemens Healthineers durchführen wird. Ihre Ergebnisse können wichtigen gesundheitspolitischen Input geben – unter anderem für die anstehende Arbeit an einer Digitalstrategie für das deutsche Gesundheitswesen, die Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bei der DMEA für die zweite Jahreshälfte 2022 angekündigt hat. Klar ist: Angst vor der Plattformökonomie im Gesundheitswesen ist ein schlechter Ratgeber. Aktive Gestaltung ist stattdessen das Gebot der Stunde. Plattformen fördern einen produktiven Wettbewerb um die bestmögliche Versorgung – und liefern damit nicht zuletzt Antworten auf den steigenden Leistungsbedarf einer alternden Gesellschaft.