Am Katholischen Klinikum Ruhrgebiet Nord (KKRN) sind Roboter gern gesehene Mitglieder der Behandlungsteams. Seit über zehn Jahren operieren Urolog*innen dort mit einem Da-Vinci-Roboterarm, den auch Gynäkolog*innen und Allgemeinchirurg*innen zu schätzen gelernt haben. In der Orthopädie und Unfallchirurgie assistieren robotische Systeme den Operateur*innen bei Hüft- und Kniegelenksersatz. Und in der Kardiologie wird derzeit ein weiterer Roboter-Kollege willkommen geheißen: das auf perkutane Koronarinterventionen (PCI) spezialisierte, robotische Assistenzsystem von Corindus. „Bei uns ist die Robotik nicht primär eine ökonomische Entscheidung“, sagt Dr. Andreas Weigand, Medizinischer Geschäftsführer der KKRN. „Wir machen das am medizinischen Ergebnis fest. Da-Vinci ist fester Bestandteil unserer Versorgung. Das Corindus-System wird es auch werden.“

Immer mehr Fächer und Eingriffe profitieren von der Robotik
Roboter haben in der Medizin eine über hundertjährige Geschichte. Den Anfang machte 1912 Mademoiselle Claire, eine Krankenschwester aus Zahnrädern, Hebeln und Schnüren, die chirurgische Instrumente aushändigen konnte. Bauchchirurg*innen in New York läuteten 89 Jahre später das dritte Jahrtausend mit „Operation Lindbergh“ ein, eine transatlantische Gallenblasenentfernung per Roboter, bei der eine Patientin in Straßburg weitgehend ohne Hilfe vor Ort minimalinvasiv operiert wurde. Zu Beginn der 20er Jahre des 21. Jahrhunderts sind viele Bereiche der Medizin in der robotischen Ära angekommen. „Im Jahr 2017 sind weltweit mehr als eine Million roboterunterstützte Eingriffe durchgeführt worden – und bis 2025 dürften es über vier Millionen pro Jahr werden“, so Dr. Jörg Traub, Geschäftsführer des Forums MedTech Pharma e.V. und Leiter Gesundheit bei Bayern Innovativ. Der Weltmarkt für medizinische Roboter, er wächst und wächst.
Dabei wird das Spektrum der robotischen Systeme ständig breiter. Bei Angiographien steuern Roboter die Gantry und den Detektor, um die interventionelle Bildgebung besser und schneller zu machen. In der Pflege hilft ein robotisches System wie VEMO bei der Mobilisierung, und ein System wie Robina unterstützt ALS-Patient*innen beim Training. Auch Strahlentherapeut*innen und Neurochirurg*innen nutzen zunehmend robotische, stereotaktische Systeme, um präziser zu operieren. Insgesamt ist die Entwicklung hoch dynamisch und noch längst nicht abgeschlossen: „Der Trend geht zu kleineren und anwendungsspezifischen Lösungen, die sich in die Arbeitsabläufe integrieren lassen und keine Anpassung der Workflows ans Instrumentarium erfordern“, so Traub.

Hohe Qualitätsstandards auch in kleinen Häusern
Beim diesjährigen Hauptstadtkongress in Berlin berichtete Prof. Dr. Holger Nef, stellvertretender Direktor der Medizinischen Klinik I (Kardiologie und Angiologie) am Universitätsklinikum Gießen und Marburg, von einem der vielleicht innovativsten Betätigungsfelder für interventionelle robotische Systeme, nämlich Katheterinterventionen an Blutgefäßen. Nef nutzt die Plattform von Corindus für Kathetereingriffe an den Herzkranzgefäßen. Bei diesen PCI werden kleine Röhrchen („Stents“) eingesetzt, um Engstellen der Blutgefäße zu erweitern. Solche Engstellen können Brustschmerzen oder auch einen Herzinfarkt verursachen. „Stentimplantationen können gut und weniger gut durchgeführt werden“, so Nef. Ziel müsse es sein, die Stents noch präziser und noch „personalisierter“ einzusetzen, also besser angepasst an die individuelle Blutgefäßanatomie.
Der Kardiologe sieht eine Reihe von Vorteilen für robotische Systeme in der Gefäßmedizin. Neben mehr Präzision können robotische Systeme auch die Variabilität senken. So gebe es in Deutschland etwas über 1000 Katheterlabors, mit einer enormen Spannbreite der pro Jahr durchgeführten Interventionen. Robotische Systeme ermöglichten eine Standardisierung und könnten so dazu beitragen, das Qualitätsniveau aller Zentren jenem der großen, erfahrenen Zentren anzunähern.

Nutzen für das Personal wird kaum thematisiert
Bisher gibt es für interventionelle robotische Systeme in der Kardiologie über die normale Abrechnung der Eingriffe hinaus allerdings noch keine gesonderte Abrechnungsmöglichkeit. Prof. Dr. Friedrich Köhler von der Charité Berlin – der in Sachen Erstattung von Innovationen durch die gesetzliche Krankenversicherung viel Erfahrung bei der Herzinsuffizienz-Telemedizin sammeln konnte – glaubt nicht, dass es ohne randomisierte Studien gehen wird, die einen Patientennutzen konkret belegen. Die Frage sei allerdings, welche Nutzenparameter herangezogen werden. Die Sterblichkeit dürfte wenig realistisch sein. Auch der Endpunkt „erneute Eingriffe an der Zielläsion“ erfordere sehr große Studien, betonte Nef: „Ich glaube, dass es ein geeigneter Endpunkt sein könnte, wenn wir nachweisen, dass wir hoch standardisiert implantieren können. Das lässt sich mit intravaskulärer Bildgebung direkt nach der Stentimplantation zeigen, und genau solche Studien machen wir gerade.“
Es geht Nef aber nicht nur um die Patient*innen, sondern auch ums Personal. Wirbelsäulenschäden und Strahlenschäden an der Augenlinse sind bei interventionell tätigen Ärzt*innen nicht selten. Auch hier könnten robotische Systeme Abhilfe schaffen. Denn die Steuerung des robotischen Systems ist ergonomisch günstiger und die Strahlenexposition kürzer. Nef ist der Auffassung, dass auch dieser Nutzen für das Personal bei Diskussionen über eine Erstattung robotischer Systeme Berücksichtigung finden sollte. Dies gelte umso mehr, als körperlich fordernde Berufe wie der des interventionellen Spezialisten oder auch der Pflegekraft zunehmend Nachwuchsschwierigkeiten bekommen. Robotische Unterstützung könnte diese Berufe attraktiver machen, ist auch Köhler überzeugt: „Wir diskutieren viel über Pflegenotstand, aber wir sehen nicht, dass es nicht nur um Bezahlung geht, sondern dass auch Inhalte verändert werden müssen. Das gilt insbesondere für Prozesse, die automatisiert werden können.“ Am Ende könnte gerade in der Pflege durch robotische Unterstützung sogar mehr Zeit für die zwischenmenschliche Interaktion mit Patient*innen bleiben.

Künstliche Intelligenz und Teletherapie halten Einzug
Unstrittig ist, dass sich die Evolution der medizinischen Roboter erst am Anfang befindet. Gerade die Verknüpfung von Robotik und Telemedizin ist vielversprechend und könnte den Zugang zu qualitativ hochwertigen, interventionellen Therapien in vielen Regionen deutlich verbessern. Traub denkt da nicht so sehr an transatlantische Operationen – die für ihn eher ein „Showcase“ ist. Alltagsrelevanter seien Szenarien, bei denen Kardiolog*innen oder Neuroradiolog*innen in kniffligen Situationen Expertise hinzuziehen, ohne dabei die interventionelle Verantwortung ganz aus der Hand zu geben. Solche und andere Einsatzszenarien könnten mit Maschinenlernalgorithmen hinterlegt werden, die nicht nur auf Präzision, sondern zum Beispiel auch auf eine Optimierung der Sicherheit und damit eine Minimierung von Patientenrisiken hin trainiert sind.
„Robotik wird Teil der ärztlichen und pflegerischen Tätigkeit der Zukunft werden, daran gibt es keinen Zweifel“, so Köhler, der aber auch noch einiges an Entwicklungs- und Validierungsarbeit für nötig hält. In Katheterlabors wie jenem von Nef in Gießen ist die Zukunft schon Gegenwart – und wird freudig begrüßt: „Unser Team ist total begeistert.“ Dies gelte auch für das Assistenzpersonal, das sich bei robotischen Systemen noch stärker als bisher als Partner im Team empfinde: „Die Robotik hat den Arbeitsalltag und die Stimmung im Team wirklich verbessert.“

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